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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes
Autoren: J Brekke
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in der Tür geirrt«, sagte der Bar bier. »Hier wird nur gegen Bezahlung gearbeitet, und ich bedaure, auch meine Speisekammer ist bedauernswert leer.«
    Der Bettelmönch blieb stehen und betrachtete ihn aus seiner Kapuze. Der Barbier hatte ihn nicht erkannt, was nicht weiter verwunderlich war. Es waren viele Sommer und Winter vergangen, seit er ein kleiner Junge war.
    »Ich bin nicht des Essens wegen gekommen, und ich will mir auch nicht die Haare schneiden lassen«, sagte der Bettelmönch.
    Der Barbier legte das Messer, mit dem er gearbeitet hatte, auf den kleinen Tisch vor sich. Dort lag bereits ein ganzes Set anderer Messer. Er war wirklich ein Meister mit diesen Messern. Zurzeit tat er kaum etwas anderes, als Bärte zu stutzen oder Eiterbeulen aufzustechen. Hin und wieder wurde er nach unten in den Hafen gerufen, um einem Seemann ein von Ratten zerfressenes Bein abzunehmen, doch die Zeiten für die wirklich großen Taten waren vorbei. Bevor er sich an diesen verlassenen Flecken am Rand der Welt zurückgezogen hatte, war er in Padua Meister Alessandros persönlicher Gehilfe gewesen. Seine Hände hatten das Fundament für einige der großen Entdeckungen des Meisters gelegt, um die Rätsel des menschlichen Körpers zu entschlüsseln. Ganze Nächte hatten sie, über stinkende Leichname von Verbrechern gebeugt, verbracht, der Barbier mit den Messern, der Meister mit Pergament und Stift. Der Bettelmönch selbst hatte als Junge häufig unter dem Tisch gelegen, gelauscht und geschnuppert, bis er eingeschlafen war und der Barbier ihn irgendwann zu Bett gebracht hatte. Beim Anblick der Messer wurden diese Kindheitserinnerungen wieder wach. Der Geruch des Holzes und der frisch geschliffenen Klingen, der beinahe unterging in dem Gestank verwesender menschlicher Körper.
    »Wenn du nicht betteln willst, weshalb bist du dann gekommen?«, fragte der Barbier.
    »Deshalb«, antwortete er und sprang vor. Der Faustschlag traf an der richtigen Stelle, und der Barbier ging zu Boden. Im gleichen Moment streifte der Mönch die Kapuze ab, und das Licht des langsam anbrechenden Tages fiel durch eine Deckenluke auf sein Gesicht. Der Barbier sah ihn überrascht an.
    »Gott erbarme sich meiner«, sagte er. »Du?«
    »Ich fürchte, für einen verkommenen Heiden wie dich ist es zu spät, sich jetzt noch an Gott zu wenden«, sagte der Bettelmönch.
    »Du bist zurückgekehrt aus der Hölle.Warum bist du gekommen?« Es hörte sich eher wie ein Gebet als wie eine Frage an.
    »Wegen deiner Messer«, sagte der Bettelmönch. »Bessere Messer gibt es im ganzen Christenreich nicht.«

2
    Richmond, August 2010
    D as Leben ist eine Berg-und-Tal-Bahn, heißt es. Der erste Anstieg, über den die Wagen sich kreischend in die Höhe schleppen, ist der Anfang. Danach geht es häufig nur noch bergab. Genau so kam Efrahim Bond sein Leben vor. Im Grunde wäre er schon längst am Ende gewesen, nur dass sich die Wagen in der letzten scharfen Kurve vor dem Abgrund irgendwie verhakt hatten.
    Wie lange war er jetzt schon im Museum? Mehr als zwanzig Jahre.Als er hier begonnen hatte, war er noch verheiratet gewesen und konnte sich noch daran erinnern, wie seine Kinder aussahen. Er war einmal ein vielversprechender Literaturstudent gewesen, aber dann hatte er sich in einer Doktorarbeit über Herman Melville verloren, die er nie beendet hatte. Mag sein, dass der verfluchte weiße Wal schuld war, auf jeden Fall war aus dem vielversprechenden Studenten nur ein weit weniger erfolgreicher Autor geworden. In den zehn Jahren nach seinem Studium hatte er zwei erbärmliche Gedichtbände veröffentlicht, die alle, er selbst eingeschlossen, längst vergessen hatten, er hatte geheiratet und ein paar Kinder bekommen. Gute Kinder, die zu anständigen Menschen herangewachsen waren, besseren Menschen als er.Aber der Kontakt zu ihnen war schon lange abgerissen.
    Nachdem er zu schreiben aufgehört hatte, hatte er eine Stelle als Lehrer an der katholischen Schule von Richmond, Virginia, bekommen, es aber mit den Schülern nicht lang ausgehalten, und war schließlich nach einer Reihe anderer Jobs hier an diesem Museum gelandet. Danach hatte seine Frau ihn verlassen, er aber war noch immer in diesem staubigen, mit Büchern vollgestopften Büro, das einmal in der Woche dürftig gesaugt wurde. Die meiste Zeit sah er aus dem Fenster. Manchmal regnete es, und wenn einmal die Sonne schien, wurde es drinnen bei ihm unerträglich heiß. Er wusste nicht, was mit der Klimaanlage nicht stimmte, aber
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