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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern
Autoren: B Meinhardt
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sagte sie: »Möchte sein, daß ich deine Lieblingstochter bin – bin ja deine einzige.«
    Willy lächelte nun aber nicht wie früher immer, sondern fuhr kaum merklich zusammen. An seinen eingedrückten Schläfen traten blaßblaue Adern hervor. Er öffnete wie gequält seinen Mund, er würde doch nicht anfangen, Britta mit seinen letzten Worten zu korrigieren? Er würde sich doch nicht so töricht verhalten wie einst Rudi und am Ende seiner Tage reinen Tisch machen wollen? Niemals, er war doch nicht verrückt, ihm stand doch noch viel zu gut vor Augen, was Rudi mit seinem Geständnis angerichtet hatte, nein, er würde das Gebäude, in dem seine Kinder – die legitimen seiner Kinder – aufgewachsen waren, nicht zum Einsturz bringen, er nicht, er hatte gelernt aus dem Fehler seines Vaters, und außerdem, warum sollte er sich denn selber anzeigen und entblößen, jetzt noch …
    Und darum öffnete er ja den Mund – um den Schreck in die Welt zu lassen, der ihn nach Brittas Worten durchzuckt hatte: Da lag doch noch was Kompromittierendes im Haus, dort oben in der Kammer lag etwas, das ihn verraten würde, wenn die drei es in die Hände kriegten, ein bestimmter Kontrakt mit zwei Menschen namens Gapp. Und sie mußten dieses Schreiben unweigerlich finden, denn natürlich würden sie, nachdem er gestorben war, das Werchowsche Haus entrümpeln und dabei jede noch so alte Kladde sichten, er konnte da nichts mehr aus dem Verkehr ziehen, er war doch nun gefesselt an dieses verdammte Bett in diesem unseligen Krankenhaus. Was ließ sich bloß tun von hier aus, was? Gottogott, er meinte zu sterben jetzt sofort, dermaßen schämte er sich bei der Vorstellung, sie läsen irgendwann das Abkommen in der alten Kladde, in die er, Willy, es wieder einsortiert hatte nach Ruths Sturz, selbstverständlich hatte es wieder irgendwo rein gemußt, das verfluchte, von Ruth auf den Küchentisch gelegte Papier, denn es blieb doch von Bedeutung, es enthielt doch wohl ein paar wichtige und bis heute gültige Grenzziehungen.
    Willy stierte vor sich hin, das nahmen Erik und Britta für normal, das war sicherlich seinem körperlichen Zustand geschuldet.
    Nach einer Weile, während der sie geschwiegen hatten, sagte Erik leise zu Britta: »Vielleicht magst du ihm eine Kleinigkeit erzählen? Ich habe das auch schon getan, nicht?« So bat er Willy um Bestätigung.
    »Wie?« fragte dieser, zumindest ein Laut Eriks mußte in die Tiefe gedrungen sein, in die er abgetaucht war.
    »Britta möchte dir was erzählen, dabei könntest du dich ausruhen, magst du?«
    Willy bejahte mit schweren Lidern.
    Da gab Britta zum besten, was ihr gerade einfiel: »Stell dir nur vor, dein Töchterlein wird jetzt nachgeahmt, wie findest du das? Überall üben Mädchen so eine Tuchnummer ein, wie ich sie vorführe und wie du sie ja auch einmal gesehen hast, na, nicht überall, ich will nicht prahlen. Aber man hört so manches, genauer gesagt Devantier, der hört es. Fast jeder Zirkus will so schnell wie möglich auch so eine Nummer herausbringen. Hätte ich nicht für möglich gehalten, wirklich nicht. Nur Devantier hat es genau vorausgesehen. Ich erinnere mich an die Nacht nach der Premiere, wir haben getanzt wie die Wilden, rund ums Lagerfeuer rum, und wir haben noch wilder gesoffen, das muß ich schon sagen. Und da seh ich Devantier allein im Hintergrund sitzen, und ich geh oder wanke zu ihm hin, weil er so allein ist und weil er mich auch gerade sehr gelobt hat vor versammelter Mannschaft. Nur deswegen geh ich also hin. Das war nett von Ihnen, sage ich ihm, mich so zu loben. Er fragt, ob es mir peinlich gewesen sei. Ich sage, eigentlich nicht, aber ungewohnt sei es gewesen, denn er lobe doch sonst nicht. Da brummt er, ich soll’s als Vorbereitung nehmen. Als Vorbereitung? frage ich, worauf denn? Ein bißchen weiß ich natürlich, in welche Richtung er denkt, ich gebe zu, daß ich ihn ein bißchen anstachele, denn ich möchte hören, woran ich noch gar nicht recht glauben kann. Und tatsächlich, er sagt es: Du hast gerade eine neue Sparte begründet, falls es dir nicht klar ist, mein Mädel, sagt er. Und erst als es heraus ist, glaube ich es, obwohl ich es eigentlich zuvor schon gewußt habe. Und es geht sogar noch weiter – aber soll ich überhaupt noch weitererzählen?«
    Willy lächelte nachsichtig. Als ob er, indem er Britta fortfahren ließ, ihr ein Vergnügen bereiten wollte. Selber schien er gar nicht soviel davon zu haben.
    »Ja, nun, Devantier kündigt mir auch
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