Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
seine Decke und schlief ein.
    Ansa träumte schlecht. Er sah verschwommene, bedrohlich wirkende Gesichter, grelle Blitze und brodelnde Fluten. Einmal wachte er schweißgebadet auf, schlief aber kurz darauf wieder ein. Am nächsten Morgen erinnerte er sich nur undeutlich an seine Träume, fühlte sich aber unbehaglich und zerschlagen, als er aufstand und das Cabo sattelte.
    Am vierten Tag der einsamen Reise geriet er in höhergelegenes waldiges Gebiet. Es gab nur wenige Felder, aber von Zeit zu Zeit sah er Hirten, die große Herden Zwergkrummhörner hüteten. Auch gab es Wild in Hülle und Fülle. Die Landschaft mit ihren zerklüfteten Bergen und tiefen Schluchten war wunderschön und von überwältigender Farbenpracht. Am Tag zuvor hatte es kurz, aber heftig geregnet, und der Boden war mit einem Teppich bunter Wildblumen bedeckt, die wie durch ein Wunder über Nacht aufgeblüht waren. Der Himmel leuchtete tiefblau, und die flaumigen Wolken wirkten noch weißer als sonst. Der Anblick hätte jeden Mann zum Singen verführt, und so stimmte Ansa ein Wanderlied an, das ihn seine Mutter gelehrt hatte und das viel melodischer als die Amsigesänge klang.
    Während sich das trittsichere Cabo vorsichtig entlang des steinigen Pfades bewegte, der an einer Seite von einem tiefen Abgrund begrenzt wurde, bemerkte Ansa, dass er ein Duett sang. Erschrocken brach er ab. Die zweite Stimme sang noch ein paar Töne und verstummte. Da sich niemand ungesehen hinter oder vor ihm aufhalten konnte, blickte er nach oben, verrenkte sich den Hals und erspähte schließlich eine schemenhafte Gestalt, die auf einem Felsen kauerte. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, und er konnte keine Einzelheiten erkennen.
    »Wer bist du?« fragte er und war zornig, weil er nicht gemerkt hatte, dass sich jemand in seiner Nähe befand. Er beruhigte seine verletzte Eitelkeit damit, dass er sich auf unbekanntem Gebiet aufhielt.
    »Oh, hör nicht auf zu singen! Es ist ein so schönes Lied.«
    Ansa entspannte sich merklich und ließ die Hand sinken, die zum Speerschaft gegriffen hatte. Die Stimme klang noch sehr jung, eindeutig weiblich und sehr lieblich.
    »Du hast mir immer noch nicht gesagt, wer du bist«, beharrte er.
    »Warum sollte ich? Dies ist mein Land, nicht deines.« Sie sprach mit einem fremdländischen Akzent, war aber gut zu verstehen.
    »Du hast recht.« Ansa grinste, wirkte aber ein wenig verkniffen, da er fortwährend in die Sonne blinzelte. »Ich bin Ansa und komme aus der Steppe des Nordens. Ich sehe dich leider nicht.«
    »Dem kann ich abhelfen. Reite hundert Schritte weiter, bis der Pfad zu einer kleinen Wiese führt. Versuch aber nicht, ohne mich weiterzureiten.« Dann war sie verschwunden.
    Er folgte ihren Anweisungen, und nach wenigen Minuten führte der Weg leicht bergab und endete an einer kleinen Wiese, wie die Frau beschrieben hatte. Ansa hielt an und überließ das Cabo dem Genuss des frischen Grases. Sein erfahrener Blick verriet ihm, dass hier schon seit längerer Zeit kein Tier mehr gegrast hatte. Zwar sah er viele Fährten, aber die meisten stammten von Raubtieren.
    Kurz darauf gesellte sich die Frau zu ihm. Sie war ebenfalls beritten, saß aber auf keinem Cabo. Sein eigenes Tier scheute und stieß unwillige Grunzlaute aus, als die Fremde auf die Lichtung ritt. Sie saß auf einem Buckler, noch dazu auf einem besonders hässlichen, der furchtbar stank und unförmig und missmutig aussah.
    Buckler waren sehr stark und ausdauernd und eigneten sich bedeutend besser für Reisen durch die Wüste als Cabos.
    Die Reiterin trug ein graues Gewand. Den Kopf bedeckte eine Kapuze, das Gesicht wurde durch einen Schleier verhüllt. Sie zügelte den Buckler einen Schritt vor Ansas Cabo und schob Kapuze und Schleier beiseite. Er sah ihr edel geschnittenes Gesicht, das schöner war, als er es sich in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Die Haut war zartblau, und die Augen hatten einen grünlichen Schimmer, der die violette Iris umgab. Das Haar der Fremden war weiß, aber es war nicht das Weiß hohen Alters, sondern mehr silbrig und metallisch glänzend. Die Hände, die den Schleier fortschoben, waren lang und schmal, mit feinen, vornehmen Fingern.
    »Ich bin Fyana aus Alta.« Der schöne Mund mit den vollen Lippen verzog sich zu einem breiten Lächeln, das Ansa unwillkürlich erwiderte. »Ich halte heute Wache am Pfad, aber ich glaube nicht, dass ich deinetwegen Alarm schlagen muss.«
    »Nein. Ich versichere dir, dass ich ungefährlich bin.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher