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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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die verschiedenen Gesichter musterte.
    Bist du sterblich?, fragte er sich, als er einen hochgewachsenen weißen Mann im dunkelblauen Anzug bemerkte. Neben dem Mann stand eine schwarze Frau, die eine Einkaufstasche geschultert hatte. Was ist mit dir? Wo gehörst du in Wirklichkeit hin?
    Er betrachtete die übrigen Fahrgäste. Sterblich? Fee? Sterblich? Kobold?
    Kundschafter?
    Am anderen Ende des Waggons entdeckte er eine stämmige Frau mit kurzem, stahlgrauem Haar. Ihre Haut war pockennarbig, als hätte sie in ihrer Jugend an starker Akne gelitten. Sie hatte ein Taschenbuch in der Hand, auf dessen Titel eine schöne Frau in einem Kleid mit Reifrock abgebildet war. Ihre eigene Kleidung – ein schlabberiger Pullover und ein gerade geschnittener Rock – wirkte im Vergleich dazu farblos und trist.
    Sie las nicht in dem Buch, denn es stand auf dem Kopf, sondern starrte darüber hinweg Avi mitten ins Gesicht.
    Als ihre Blicke sich trafen, hob die Frau das Buch, um sich dahinter zu verstecken. Obwohl Avi sie nur kurz gesehen hatte, war er sicher, dass er ihr schon einmal begegnet war.
    Dröhnend fuhr die U-Bahn in die nächste Station ein, die ebenso überfüllt war wie die zuvor. Die Frau nahm ein seidenes Band von ihrem Hals, legte es in das Buch, um die Seite zu markieren, und während sie es in ihrer Tasche verstaute, schaute sie noch einmal zu Avi hinüber.
    Graue Augen, dachte er. Am liebsten hätte er wie das kleine Mädchen mit dem Finger gezeigt. Die Frau kam ihm wirklich ausgesprochen bekannt vor.
    Du bist nicht von dieser Welt, dachte er. Oder?
    Die aus- und einsteigenden Fahrgäste strömten aneinander vorbei wie Wasser an Öl, so dass Avi die Frau im Menschengewühl aus den Augen verlor. Er reckte den Hals, um an einem mageren weißen Jugendlichen vorbeizuspähen, der gerade mit einem riesigen Rucksack hereingekommen war. Als die Türen sich schlossen, hatte Avi wieder freie Sicht. Die Frau war verschwunden.
    Ihm klopfte das Herz bis zum Hals. Die Frau stammte aus dem Feenreich, da war er ganz sicher. Und das konnte nur bedeuten, dass Kellen, der König der Goblins, sie geschickt hatte. Er machte einen Satz auf die Tür zu, doch die ließ sich nicht mehr öffnen. Ein wenig panisch presste er das Gesicht an die Scheibe. Er musste wissen, wer sie war.
    Langsam setzte sich die U-Bahn in Bewegung. Unterdessen leerte sich der Bahnsteig, so dass Avi doch noch einen letzten Blick auf die Frau erhaschen konnte, die auf den Ausgang zusteuerte. Sie betrachtete die anfahrende U-Bahn, als suche sie jemanden.
    Mich.
    Ihre Blicke trafen sich. Die Frau hob eine Hand, und kurz huschte ein entschlossenes Lächeln über ihr narbiges Gesicht. Nun wusste Avi, wer sie war. Ihr Gesicht und auch sonst alles hatte sich verändert, nur die kühlen grauen Augen nicht. Es waren nicht die Augen eines Kundschafters.
    Sondern die eines Wächters.
    Die von Durin.

Kapitel 3
    A m Abend saßen Avi und Hannah gemeinsam vor dem Fernseher. Nachdem sie durch alle Kanäle gezappt hatten, entschieden sie sich für einen spannenden Agentenfilm. Nach diesem merkwürdigen Tag empfand Avi die scheinbar endlose Aneinanderreihung von gefährlichen Stunts und unwahrscheinlichen Wendungen in der Handlung als beruhigend.
    Er wohnte nun schon seit zehn Wochen bei den Bowers, denn in dem besetzten Haus unweit der Victoria Station hatten sich die Ratten breitgemacht. Es war eine wahre Plage gewesen. Hunderte der Nager waren durch die Eingangstür hereingeströmt und die Treppe hinaufgelaufen, wo sie sich häuslich niedergelassen und alles zerbissen hatten, was nicht niet- und nagelfest war.
    Also hatte Avi seine spärliche Habe gepackt und Hannah angerufen, um sie zu fragen, ob er eine Weile bei ihr und ihrer Mutter in Primrose Hill unterkommen könne. Er hatte noch nicht ausgesprochen, als Hannah schon zugestimmt hatte. Und seitdem war er dort zu Hause.
    »Ich könnte schwören, dass die Strompreise schon wieder gestiegen sind«, meinte Frieda, die in einer Ecke des Wohnzimmers saß und einen Stapel Rechnungen sortierte. Sie stand auf, streckte sich und zuckte dabei leicht zusammen. »Ich suche die letzte Rechnung heraus und vergleiche das.«
    Sobald sie das Zimmer verlassen hatte, packte Hannah Avi am Arm und kuschelte sich auf dem Sofa fest an ihn. Als ihm ein Stich durch den Ellbogen fuhr, verzog er das Gesicht.
    »Fehlt dir etwas?«, fragte sie.
    »Ich … äh … bin heute auf der Baustelle gestürzt und habe mir den Arm angeschlagen.«
    Hannah zog ihren
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