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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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Stunden lang geschlafen.
    Nun war er wieder hier, diesmal mit Hannah. Durin und Roosevelt waren in ihr Hotel gefahren, nachdem sie Avi versichert hatten, dass sie auch weiterhin auf ihn achten würden.
    »Müssen wir jetzt nach Kellens Tod noch mit Schwierigkeiten rechnen?«, hatte Avi gefragt.
    »So lange Levi frei herumläuft, ist das zu befürchten«, lautete Durins Antwort.
    »Nicht zu vergessen eine gewisse Feenkönigin«, murmelte Roosevelt leise.
    Avi seufzte. Wenn Roosevelt solche Bemerkungen machte, fühlte er sich stets verpflichtet, seine Mutter in Schutz zu nehmen, obwohl er besser als jeder andere wusste, wie launisch sie war. Außerdem konnte niemand sagen, was die Nachricht von Orens Tod bei ihr anrichten würde.
    »Und ich dachte schon, wir hätten es endlich ausgestanden«, meinte er bedrückt. »Aber wahrscheinlich kommt das Schlimmste erst noch.«
    »Wir wollen hoffen, dass sich die Lage eine Weile beruhigt«, erwiderte Durin. »Zumindest für kurze Zeit.«
    Avi nickte, obwohl er nicht so recht daran glaubte, dass ihnen dieses Glück vergönnt sein würde.
    Doch als er nun mit Hannah am Grab seines Vaters saß und sich von der Abendsonne den Rücken wärmen ließ, gestattete er sich, ein wenig in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Die Trauer in seinem Herzen war so gewaltig, dass sie vermutlich zu seiner ständigen Begleiterin werden würde. Er hatte Oren gerettet und dann mit ansehen müssen, wie er vor seinen Augen niedergestochen wurde. Nur kurze Zeit hatte er ihn in der Kapelle, an Bord der Schattenbarke, im Palast und schließlich in der schlammigen Arena neben Kellens abscheulicher Maschine erleben dürfen. Und nun hatte er ihn – so wie die Erinnerungen an seine Kindheit oder das Déopnes – für immer verloren.
    Auch Iritha hatte man ihm genommen. Kaum hatte er seine Tante kennengelernt, als sie ihm schon wieder entrissen worden war – wie bei seinem Vater ohne eine Gelegenheit zum Abschied. Wer würde noch seinetwegen ums Leben kommen? Und wie konnte er diese Opfer jemals wiedergutmachen?
    Je länger er über seine Mutter nachdachte, desto beklommener fühlte er sich. Ohne Oren würde sie bestimmt wieder in Selbstmitleid versinken und erkranken. Andererseits stand nun nach Kellens Tod nur noch Levi zwischen ihr und ihrem Traum, eine Vereinigung der Reiche unter allen Umständen zu verhindern. Seit seiner Rückkehr in die Welt der Sterblichen fragte sich Avi, ob er das Feenreich wohl jemals wiedersehen würde. Würde er es bedauern, wenn es nicht geschah?
    Er fand keine Antwort auf diese Frage. Er wusste nur, dass sein Herz zwar schmerzte, aber endlich ein Zuhause gefunden hatte. Heute Morgen hatte er in der Küche mit Hannahs Mutter geplaudert, ihr die Schulter getätschelt und dabei seine heilenden Kräfte in ihren geschwächten Körper fließen lassen. Er hatte die Wirkung gespürt und hoffte, dass sie anhalten würde. Das allein war schon ein Grund zu bleiben, obwohl es natürlich auch noch einen anderen gab: Hannah. Sie war ihm ins Déopnes gefolgt. Gemeinsam waren sie heil daraus zurückgekehrt. Nur sie allein erinnerte sich an die Ereignisse in dieser grausigen Zwischenwelt, auch wenn sie sich weigerte, darüber zu sprechen. Doch Avi war nicht sicher, ob er es andernfalls überhaupt hätte hören wollen. Nun hatte sich das Déopnes aufgelöst. Welche Folgen das für die Zukunft haben würde, konnte Avi nicht einmal vermuten.
    Seine Hand wanderte in die Hosentasche zu der kleinen Schatulle, die er an diesem Morgen beim Juwelier in Pimlico abgeholt hatte. Kurz schlossen sich seine Finger darum … und ließen wieder los. Er nahm die Hand aus der Tasche und legte den Arm um Hannah. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
    Der Ring erinnerte ihn an einen anderen Stein, das Schmuckstück, das er unter seinem T-Shirt trug. Das Auge des Alkenoi. Hannah war immer an seiner Seite geblieben und hielt fest zu ihm. Ein Leben ohne sie konnte Avi sich in keiner der beiden Welten vorstellen. Aber eines hatte er sich geschworen: Er würde mit allen Mitteln verhindern, dass sie sich ebenfalls für ihn opferte.
    Avi fühlte sich von den Ereignissen überwältigt. Wie viel leichter war es da, einfach dazusitzen und Hannah in den Armen zu halten, während die Sonne über der Welt der Sterblichen unterging.
    Wer konnte sagen, was der nächste Tag bringen würde?
    Ruhe oder Sturm?

Über Melissa Fairchild
    Melissa Fairchild wurde 1973 im britischen Lake District geboren und lebt heute mit ihrem
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