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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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der Verräter ist. Der Mörder des kleinen Weber. Das Horchgerät des Sturmbannführers …
    Wer? fragt sich Vonwegh immer wieder und ergebnislos. Dreißig kauern in der Stube. Jedem ist es zuzutrauen. Fast jeden können die Umstände dazu bringen. Ein Leben … Hinter uns das Zuchthaus, vor uns die Partisanen, über uns die Knute Dirlewangers und unter uns Wanzen, Ratten und Mörder …
    Liebe lockte ihn in die Falle. Haß hält ihn am Leben. Er weiß nicht, wo sie ist, aber er sieht sie ständig. Er besitzt kein Bild von ihr, aber er könnte sie malen. Alles riskierte Paul Vonwegh für sie; dafür geht er jetzt vor die Hunde.
    Er würde ein zweites Mal alles wagen, wenn er Karen wiedersähe. Wie lange ist das her, daß er so dachte? Einen Monat? Ein Jahr? Eine Ewigkeit? An Gefühlen ändert sich nie etwas, glaubt er, nur an den Umständen …
    Und in dieser Stunde beginnt Paul Vonwegh wieder von vorne, passiert die Grenze und weiß, was das heißt. Nur ein Narr handelt so, ein Selbstmörder … oder ein Liebender. Wenn er seinen Gefühlen folgt, wagt er seinen Kopf. Seine Verfolger geben kein Pardon. Ihm bestimmt nicht.
    Sprung in den Bodensee, vom Boot aus. Als der Lichtarm des Zollscheinwerfers auf ihn zukam, tauchte er unter. Zehnmal, fünfzehnmal. Die Erregung flaute ab. Das Abenteuer wurde zum Kinderspiel. Vorläufig. Er erreichte das Ufer und war wieder in der Heimat. Im Reich der perfekten Polizeimaschine, die ihn suchte; in einem Land, das ihn als Verbrecher jagte.
    Die erste Station war Hannover. Hier lebte sie. Diesmal fuhr er direkt. Er sah nur Karens Bild vor sich. Sie zog ihn an wie ein Magnet. Er hatte sie Jahre nicht gesehen. Aber sie würde sich nicht verändert haben. Karen veränderte sich nie. Vonweghs kantiges Gesicht wurde weich, so oft er an sie dachte. Sie lächelte ihm zu. Helle Augen, helle Haare, hochgewachsene Figur, zarte fast transparente Haut, Erbgut der schwedischen Mutter; dann die Sicherheit, die Geradlinigkeit, die Hartnäckigkeit, Mitgift des deutschen Vaters.
    Vonwegh hatte Karen im Süden kennen gelernt und sie sofort erfasst. Nie brauchte er das Bild zu korrigieren. Sie sahen einander an, und es stimmte. Sie hatten keine Zeit zu verschwenden, und sie verloren auch keine. Karen bat Vonwegh mitzukommen. Er mußte ablehnen. Und das hieß: Trennung.
    Seitdem war brutal die Walze der Zeit über die Gefühle hinweggegangen, ohne sie zertrampeln zu können.
    »Hannover, Hauptbahnhof«, rief die Stimme.
    Das Einwohnermeldeamt war die nächste Station.
    »Karen Bäumler?« Eine mürrische Beamtin schüttelte den Kopf. Dann betrachtete sie sich den Mann genauer und suchte bereitwillig. Es dauerte zehn Minuten.
    Wieder schätzte Vonwegh den Fluchtweg ab.
    »Nach Berlin verzogen«, sagte die Beamtin dann, »heißt jetzt Maybach.«
    »Wieso?« fragte er betroffen.
    »Verheiratet«, erwiderte die Frau.
    Berlin. »Maybach« stand auf einem viel zu großen Blechschild. Es las sich kalt und fremd, unwirklich.
    Was soll's schon? Die Haustüre war offen. Vonwegh nahm die beiden Treppen langsam. Er drückte auf den Knopf, hörte Schritte. Die Scharniere müßten geölt werden, dachte er noch.
    Dann stand sie vor ihm. Wie beim ersten Mal. »Du?« sagte Karen.
    »Ja«, erwiderte er.
    Die Überraschung machte die junge Frau wortlos.
    »Überrascht?« fragte er und ärgerte sich über das dumme Wort.
    »Ich hab' auf dich gewartet, Paul …«, erwiderte sie. Jetzt erst bat sie ihn einzutreten.
    »So«, antwortete Vonwegh und verwünschte sich zum zweiten Mal.
    »Ich hab' gewußt, daß du kommst.«
    »Es ist meine Schuld, Karen«, erwiderte er.
    Sie lächelte.
    Jetzt sah er sie voll an. Ihre Augen waren noch immer hell, ihre Haare noch immer blond, ihr Gesicht noch immer jung und ihr Mund noch immer weich.
    »Kann ich dir etwas anbieten, Paul?« fragte Karen.
    Jetzt ist sie töricht, stellte Paul Vonwegh automatisch fest und spürte festen Boden unter den Füßen. »Ja, Cognac«, antwortete er. »Weißt du noch, wie wir zum ersten Mal … damals, Karen … in …«
    »Ich habe es nie vergessen können, Paul«, erwiderte sie.
    »Ich auch nicht«, entgegnete er und betrachtete seine Fußspitzen. »Du hast geheiratet?« fragte er.
    Karen nickte.
    »Liebst du ihn?« fragte Vonwegh weiter und musterte die Einrichtung feindselig.
    »Nicht so …«
    »Wie?«
    »Wie dich …«, versetzte sie und sah zu ihm auf.
    »Versteh' ich nicht«, antwortete Vonwegh.
    »Er ist tot«, erwiderte Karen hart, »in
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