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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
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seine kräftigen Schenkel und hüpfte neckisch durch den Garten. Ob er dann glaubte, selbst ein Frosch zu sein? Ich weiß nur zu gut, mein Onkel war immer schon ein merkwürdiger Mann: Er beschwor die Brenntage, nahm verschmitzt Tiere aus und huldigte den Fröschen … So mancher in der Siedlung war davon überzeugt, er hätte sich
geistig
übernommen, aber niemand getraute sich, das offen auszusprechen, der Onkel war ein kräftiger Mann, so etwas könnte leicht ins Auge gehen.
    Unlängst erfuhr ich, dass früher viele Bewohner unserer Siedlung mehrmals im Jahr zur Sommerfrische gefahren sind, nur diejenigen, die sich das nicht leisten konnten, blieben (eingepfercht) in ihren Häusern zurück, und über ihren Dächern lag brütende Hitze. Warum schon früher so viele unterschiedliche Menschen auf engstem Raum zusammenlebten, weiß ich nicht und habe es bis heute nicht begreifen können. Mag sein, alle kamen sie zunächst der frischen Luft (und des Fortschritts) wegen, verliebten sich in die schöne Landschaft, diese seltsame kleine Welt, die hier inmitten der Hügel vorzufinden war, die vielen Birkenhaine taten ihr Übriges.
Hauptsache, sie konnten hier reichlich Geld verdienen
, sagte der Onkel und war davon überzeugt, wer eine Birke fällt, der käme der Verdammnis ein großes Stück näher … Wir fällten demnach nie welche, auch keine anderen Bäume oder Sträucher, um auf Nummer sicher zu gehen.
    Und manchmal verharrten wir sogar vor den weiß gestreiften, gesprenkelten Stämmen, die sich sachte im Wind bogen,und schälten ganz vorsichtig etwas Birkenhaut ab, weil dies angeblich Glück bringt und böse Geister fernhält. Der Onkel wusste, die Birke sei eine Heilpflanze, und sie könne mir den Weg weisen, viele andere überaus nützliche Kräuter wachsen doch gerne in ihrer Nähe, Beifuß und Fingerhut, Frauenmantel, Karde oder Rotklee, Schafgarbe und Weißdorn, manchmal sogar Ringelblumen.
Die Birke regelt den Wasserhaushalt deines Körpers, wenn du sie lässt, und glaub mir, die schlimmste aller Prüfungen ist der Durst
, erklärte der Onkel und lobte den Birkentee über alles, erzählte mir von der Birkenkohle (die gegen Durchfall hilft) und dem Birkenteer, der allerlei Hautreizungen im Keim zu er sticken weiß.
    Die Tante sah in den Birken bisweilen Geister schaukeln und verbot mir schon sehr früh, die Bäume zu erklimmen, wo ich doch eines der Wesen vom Ast hätte stoßen können, aus Unachtsamkeit oder Übermut, wie die jungen Menschen eben so sind.
Man müsse abwarten, bis so ein Baum von ganz allein fällt
, sagte der Onkel,
bis dir ein Tier direkt vor die Füße läuft und sich feilbietet oder deine Hilfe braucht, man darf den Dingen nicht vorgreifen.
    Als ich etwas älter war, verbrannten wir manchmal Tierkadaver, die plötzlich in der Landschaft lagen und allmählich verwesten, die Brenntage waren noch fern, doch im Sommer mussten wir einfach handeln. Ein Abwarten hätte alles noch schlimmer gemacht, die Fliegen und Maden hätten die Häuser in dichte Wolken gehüllt, die aus ihren Löchern spähenden Käfer und Würmer hätten überhandgenommen und der Tante den letzten Nerv geraubt. Der Onkel zog daher einigen Tieren lieber schon im Wald ihr Fell ab, damitdas Haus (soweit es ging) sauber blieb und das Nervenkostüm meiner Tante intakt.
Im Takt
, lachte der Onkel, zwei Menschen die einander verstehen, ohne noch groß miteinander reden zu müssen, ein gemeinsames Leben verbindet angeblich, selbst über das Grab hinaus.
    Im Keller spannten wir gemeinsam die blutigen Häute auf, zwei Maler mit ihren Pinselhänden, die alles mit trockenem Stroh einrieben und «reifen» ließen, ich geb’s ja zu, ständig dachte ich an «Auto-reifen», doch waren Autoreifen in unserer Gegend überaus gefragt. Der Onkel bestrich die blutigen Innenseiten mit hausgemachten Salben und Tinkturen,
ein Geheimrezept
, prahlte er,
aber wenn du erst volljährig bist, verrate ich dir vielleicht die Ingredienzen, dass du mir aber niemals leichtfertig darüber plauderst, hörst du?
Dann schlug er mir auf die Schulter, und es tat eine Weile weh, doch das musste es schließlich, damit ich nichts vom Gesagten vergesse, die vergessenen Sünden sind bekanntlich die allerschlimmsten.
    Später ahmten wir aus Draht die Silhouetten von Tieren nach, zogen ihnen das inzwischen gereifte Fell über und füllten sie mit weichem Heu, das sich reichlich auf den nahen Feldern fand. Unsere Plüschtiere dufteten nach Wiesenblumen und Wildkräutern,
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