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Breakfast on Pluto

Breakfast on Pluto

Titel: Breakfast on Pluto
Autoren: Patrick McCabe
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würde!
    Das Großartige am alten Schnullermann war, daß man einfach nicht wußte, woran man mit ihm war. Das einzige, was sich mit einiger Bestimmtheit sagen ließ, war, daß der olle Dödelstock in seiner Hose zu jeder Tages- und Nachtstunde gefechtsbereit war. »Ach du liebes Lieschen, er ist schon wieder so weit!« sagte er, und dann mußte man ihn, wie er das nannte, »von seinen Leiden erlösen«! Ja, ich will ehrlich sein: nach meinem Abgangszeugnis im Bombenjahr 1971 war ich mehr als zufrieden, in der gemütlichen Wärme seines parfümierten Mercedes regulärer Reisegefährte meines neuen Wohltäters zu sein. Wie sauber es da drin war! Was mir wirklich, das muß ich zugeben, an Schnulli als erstes gefiel! Schweiß? Schale Pisse? Undenkbar! Der Inbegriff von Reinlichkeit und feinen Manieren! Ja, natürlich, ich verstehe, daß es viele gab, die seinen guten Ruf anzweifelten – er hätte Waffen für die IRA importiert und all so ‘n Unfug! Aber ob das nun stimmte oder nicht, Tatsache ist, daß es mir schon damals schnurzegal war, kein einziges Mal mußte ich bei ihm nörgeln oder nisseln. Während der ganzen Zeit, als er mein Mann oder Geliebter war, nennt ihn, wie ihr wollt, habe ich nicht nie ekligen, schalen Schweiß gerochen oder zwischen seinen Zehen Schmutz entdeckt. Nanu! Nach der Hundehüttensiedlung, der Welthauptstadt des Gestanks, muß ich wohl gestorben und in den Himmel gekommen sein, dachte ich jeden Tag beim Aufwachen! Und das alles hatte ich meinem süßen Schnulli zu verdanken, diesem liebevollen Mann mit seinen tausend Wässerchen. Wie viele verschiedene Sorten Rasierwasser hat er eigentlich benutzt? Bestimmt mehr als ein Dutzend!
    »Wie rieche ich?« fragte er mich immer, und ich antwortete: »Göttlich!« Oft hörte ich ihm natürlich nur mit halbem Ohr zu, war ich doch hingerissen von einem Paar Schuhe, die er mir gekauft hatte (oder soll ich sagen: die ich mir von seinem Geld gekauft hatte – denn von Frauensachen hatte er nun wirklich keinen blassen Dunst), oder zerstäubte etwas Chanel No. 5. (Versteht ihr, es war ihm egal! »Kauf, was du willst!« sagte er immer. »Scheiß drauf, was es kostet!«) Ach,er war ein Schnuckelchen, der alte Schnullermann!
    Aber der Dödelstock, mit dem er herumstocherte – das war eindeutig ein Problem. »Du mußt mich jetzt wirklich mal in Ruhe lassen, ich bin vollkommen erledigt!« versuchte ich ihm zu erklären. Leider ohne jeden Erfolg. »Mach doch noch mal Schnucki-Schnucki«, sagte er dann oder: »Wie wär’s mit einem kleinen Lied für Schnulli?« Dann mußte ich auf die Knie und irgend etwas dahersäuseln – aber nicht einfach nur aus Spaß an der Freude! O nein! Manchmal konnte mein Schnulli so ernst sein. »Du meine süße, liebe Schöne! Was kann ich dir schenken, damit du für immer mein bist?«
    Natürlich konnte ich nicht für immer und ewig sein Mädel bleiben, aber wenn er mich weiter mit Komplimenten und Bargeld überhäufte, war ich gern bereit, so lange bei ihm zu bleiben, wie – nun ja, wer weiß? Hätte ich höchstwahrscheinlich auch getan, wenn er mir nicht unter der Hand weggestorben wäre. Ich muß oft an ihn denken, wie er in die Luft gejagt wurde und sein armer, kleiner Pimmel in Zeitlupe wieder auf die Erde herabsegelte wie eine zerknautschte rosa Blume, ein Sinnbild all der toten Männer, die über den Jordan gegangen waren. Manche behaupten, es sei die IRA gewesen, andere sagen, nein, die UDA, und wieder andere meinen, die beiden Organisationen hätten zusammengearbeitet. Ich wußte es nicht und wollte es auch nicht wissen. Ich wußte nur, daß mein guter alter Schnullermann futsch war! Armer, alter Schnulli! Warum mußtest du dich auch auf die zwielichtige Welt des Doppelspiels einlassen? Du und ich, wir könnten heute noch Zusammensein!
    Natürlich wußte ich, daß er wegen irgendwas nervös war.
    Nachts nahm ich seinen Dödelstock und sagte: »Bitte, erzähl mir doch, Schatz. Erzähle mir von deinen heimlichen Sorgen.« Aber er wollte nie. Er zerdrückte eine Träne und seufzte, dann faßte er mich an und sagte: »Nein! Sonst sind sie auch noch hinter dir her!«
    Es hatte mit Gewehren zu tun und mit dem Geld, das sie kosteten. Jedesmal, wenn ich daran denke, wie sie ihn Schaufel für Schaufel eingesammelt haben, ist es wie ein Stück Draht in meiner Brust. Ich liebte das Cottage, in dem er mich untergebracht hatte. Es hatte seiner Mutter gehört. »Ich vermisse sie so sehr, meine Mutter«, sagte er. »Es vergeht kein
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