Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht
Autoren: Kalayna Price
Vom Netzwerk:
Gesichtsausdruck verrieten dies, ich hatte nur einfach in den letzten paar Wochen seine Augen gut genug– ihn gut genug kennengelernt, um zu sehen, dass er das für keine gute Idee hielt.
    »Es ist ja gleich dort drüben«, meinte ich, während ich bereits rückwärts ging.
    Er hielt mich nicht auf, also machte ich kehrt und rannte beinahe auf den Zufluchtsort auf dem Sofa zu.
    Die meisten der Sitzgelegenheiten auf der Galerie waren besetzt– Vampire neigten dazu, sich breitzumachen, aber auf dem Sofa, auf das ich es abgesehen hatte, befand sich nur eine weitere Person, die steif am anderen Ende saß. Sie trug ein einfaches schwarz-weißes Harlekinkleid mit einer aufwendigen Ganzmaske und einem großen, gefiederten Hut, unter dem braune Locken hervorquollen, die so künstlich aussahen, dass es sich dabei nur um eine Perücke handeln konnte.
    Sie rührte sich nicht, als ich mich in die Kissen auf der anderen Seite plumpsen ließ und erleichtert aufatmete. Wenigstens erwartet sie nicht von mir, dass ich mich mit ihr unterhalte. Dann sog ich erneut Luft in meine Lungen– die alten Gewohnheiten der Lebenden sind nicht leicht totzukriegen–, und das war ein Fehler.
    Der süßliche Geruch von Blut rollte über meine Zunge, sammelte sich in meiner Kehle, erfüllte meine Sinne. Der Geruch war kalt, bitter, alles andere als appetitlich, aber er war sehr nahe und demzufolge verlockend. Oh, so nahe. Meine Fangzähne brachen in einem Anfall von Hunger hervor, und ich rutschte über die Kissen, ohne mich bewusst dazu entschieden zu haben.
    Die Frau reagierte weder, noch blickte sie hoch, als ich neben sie glitt. Der Geruch ihres Bluts hatte etwas Schlechtes an sich. Doch das war nicht wichtig. Nicht jetzt. Alles, was wichtig war, war der Geruch.
    Meine Finger streichelten ihre Schulter.
    Die Maske fiel nach vorn.
    Der Hut und die Perücke folgten in einem Wirbel aus künstlichen Locken.
    Ich sprang auf die Füße. Aus den Rüschen ihres Kragens ragte ein kurzer, roher Hals. Kein Kopf.
    Mit einem Plonk fiel der Kopf einer Schaufensterpuppe zu Boden, rollte und blieb schließlich einen Meter von dem Sofa entfernt liegen. Ich wich zurück, dabei wurde ich mir deutlich der erdrückenden Stille bewusst, die sich unvermittelt auf der Galerie zusammenballte. Unter mir hämmerten immer noch Technobeats, aber die Vampire waren tödlich still geworden.
    Eine große Hand schloss sich um meinen Arm. Mit festem Griff. Schmerzhaft.
    »Was hast du getan?« Die Frage kam von einer rauen, flüsternden Stimme hinter meinem Ohr.
    »Ich, äh…« Ich schluckte und deutete mit einer wilden, unbeholfenen Geste von dem Kopf zu der Leiche. »Ihr Kopf ist einfach runtergefallen?«
    Eine Frau in einem goldverzierten Gewand trat vor und kniete sich neben den falschen Kopf, um ihn zu untersuchen. Blinde Glasaugen starrten daraus hervor. Wie von einer einzigen Schnur miteinander verbunden richteten alle Vampire im Raum ihren Blick auf den Kopf, zu mir und dann zu der Leiche, die immer noch steif und reglos auf dem Sofa saß. Die Hände lagen in ihrem Schoß, und mit einer davon hielt sie ein Glas auf ihrem Oberschenkel fest, aber sie war eindeutig keine Schaufensterpuppe. Von dem Geruch nach Blut einmal abgesehen konnte ich das Weiße ihres freigelegten Rückgrats in dem rosigen Fleisch ihres Halses erkennen.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wollte die Frau in dem goldverzierten Gewand wissen. »Wo ist ihr Kopf?«
    Im ersten Augenblick dachte ich, dass die Frau mich das fragte. Als ob ich irgendeine Ahnung hätte! Dann wurde mir bewusst, dass ihr Blick über meine Schulter ging, zu dem Mann, der immer noch meinen Arm umklammerte. Ich sah hinter mich, erkannte den Vampir jedoch nicht. Aufgrund der Lederhose, die vor silberbeschlagenen Riemen strotzte, und dem knallblauen Haar, das ihm in spitz gegelten Strähnen bis zum Kinn fiel, vermutete ich, dass er einer der einheimischen Vampire war. Dann bemerkte ich seine Augen: grün und alt, mit einem Blick, der wie ein körperliches Gewicht auf meiner Haut landete.
    Tatius.
    Ich schluckte heftig. O Scheiße, eine geköpfte Leiche und die Aufmerksamkeit des Königs von Haven. Ich wusste echt, wie man eine Party sprengt, oder?

Kapitel 2
    W as ist passiert?« Tatius durchbohrte mich geradezu mit seinem Blick.
    Ich sah mich um. Nathanial stand ein paar Schritte von mir entfernt am Rand des Halbkreises, der sich um mich herum gebildet hatte. Seine Haltung war distanziert, gleichgültig, aber er sah mich an, ohne zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher