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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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ich ein paarmal am Tag aus dem Bett gekrochen, um zu filmen - und als ich im Examen stand, hatte meine Tante strengsten Auftrag, jede zweite Stunde auf den Auslöser zu drücken - weißt du noch, Tante?“
    „Und ob ich mich daran erinnere! Und wie gespannt wir waren, als du den Film zum Entwickeln weggeschickt hattest!“
    „Ich finde ihn phantastisch“, sagte ich. „Haben Sie ihn denn niemals verwertet. ich meine, ihn niemals verkauft?“
    „Das ist ein bißchen kompliziert, weil es sich um einen AchtMillimeter-Film handelt“, sagte Asbjörn. „Einmal wurde er im norwegischen Fernsehen gezeigt, in einem Jugendprogramm.“
    Er brachte seine Filmsachen aus dem Zimmer, und ich wandte mich wieder dem Anorak zu.
    Was für eine Geduld, dachte ich, ein Jahr darauf zu verwenden, einen Film zu drehen, der nicht länger dauerte als das Trinken einer Tasse Kaffee.
    Und wie bescheiden er war! Ich wäre vor Stolz geplatzt, hätte ich so etwas fertiggebracht!
    Im Grunde gefiel mir dieser große, bescheidene junge Mann sehr. Es war viel Arbeit an diesem Riesenanorak, und ein wenig ungewohnt war sie für mich auch. So blieb ich noch bis spät in den Abend hinein daran sitzen.
    „Das ist doch sinnlos“, meinte Asbjörn vorwurfsvoll, „könnten Sie nicht den Rest an einem anderen Tag fertig machen?“
    „Ich habe auf lange Zeit hinaus keinen freien Tag mehr“, entgegnete ich. „Außerdem bin ich jetzt bald fertig. Könnten Sie vielleicht das Bügeleisen für mich aufstellen?“
    So tat ich endlich den letzten Stich, bügelte den Anorak, und Asbjörn zog ihn an. Er saß tadellos.
    „Ein Jammer, daß ich nicht öfter eine Schneiderin brauche“, meinte er lächelnd.
    „Wenn du heiratest, kann Fräulein Bruland für alle deine Kinder nähen!“ meinte Frau Grather.
    Wenn er heiratet, dachte ich. Aha, da ist er wohl verlobt. Irgendwie fand ich diesen Gedanken nicht besonders amüsant.
    „Als ich klein war, habe ich immer gesagt, ich wollte zwölf Kinder haben“, schmunzelte Asbjörn. „Dann wäre Fräulein Bruland auf viele Jahre hinaus mit Arbeit eingedeckt!“
    „Ich nähe liebend gern Kinderkleider“, sagte ich.
    Ich lächelte dabei, aber meine frohe, unbeschwerte Stimmung war wie weggeblasen.
    Asbjörn bestand darauf, mich nach Hause zu fahren. Es war schon ein äußerst seltsames Gefährt, in dem wir da fuhren, eine sonderbare Mischung von einer Isetta mit einem Kabinenroller und einem Spielauto. Es ähnelte am ehesten einer etwas verunglückten Seifenblase.
    „Hausgemacht“, erklärte Asbjörn. „Von einem Freund. Ich habe das Ding für ein Butterbrot bekommen, aber es hat mir schon manchen großen Dienst erwiesen.“
    Bis er vor meiner Haustür hielt, sagte er dann nichts mehr.
    „Vielen Dank für Ihre Hilfe, Fräulein Bruland. Wenn ich das nächste Mal einen Anorak brauche, melde ich mich bei Ihnen!“
    „Tun Sie das“, lächelte ich. „Aber es dürfte wohl eine Weile dauern, denn an dem können Sie viele Jahre Ihre Freude haben!“
    „Das glauben Sie“, meinte Asbjörn lächelnd. „Ich verarbeite mindestens einen im Jahr. Vielleicht brauche ich bereits zum Winter einen neuen.“
    „O. K. ich werde ihn nähen. Vielen Dank für das Nachhausebringen - und tausend Dank für den Film.“
    „Hat er Ihnen wirklich gefallen?“
    „Ja, das hat er! Er hat mir sehr imponiert.“ Er hatte mir tatsächlich imponiert. Als ich eine Stunde später im Bett lag, mußte ich an diesen Kastanienbaum denken und an den zähen Willen, die Geduld und die Zielstrebigkeit, die dahinter standen.
    Außerdem dachte ich auch an die breiten Schultern und die blauen Augen - und an Frau Grathers Worte:
    „Wenn du heiratest.“ Nun reiße dich aber zusammen, Bernadette, sagte ich zu mir selber. Man sollte meinen, du wärst noch niemals zuvor einem hübschen jungen Mann begegnet. Einem blonden jungen Kameramann einen Anorak zu nähen ist eine äußerst nüchterne Begebenheit, und deswegen brauchst du dich nicht gleich zu verlieben, du Schafskopf! Als ich endlich eingeschlafen war, träumte ich, ich säße unter einem blühenden Kastanienbaum und nähte blaue Kinderanoraks.

Villeverte
    Ich will nicht behaupten, daß mein Dasein während der nächsten paar Wochen von dem Gedanken an einen blauäugigen Kameramann erfüllt war. Dazu hatte ich allzu viel zu tun.
    Aber trotz allem: Wenn ich dasaß und lange, langweilige Nähte heftete, nicht zu reden von acht Metern Säumen eines Glockenrockes, flogen die Gedanken, wohin sie wollten,
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