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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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mit Ausnahme der Zahnbürste“, sagt Tante Cosima oft lachend, wenn sie mit einem prüfenden Blick durch diese Wohnungen geht und frische Wäsche für neue Gäste zurechtlegt.
    Ach, Tante Cosimas Lachen! Sie ist der fröhlichste Mensch, den ich kenne, und wir sind die besten Freunde. Sie würde es schwer vermissen, wenn ich jemals in einem Sommer nicht nach Villeverte käme. Dort habe ich meine eigene kleine Kammer, meine Sommersachen hängen in einem Schrank, und wenn ich komme, steht Tante Cosima an der Haltestelle vom Autobus, winkt und ruft mir zu: „Willkommen daheim, Bernadette!“
    Ich werde nämlich nur in Norwegen Benny genannt.
    Dort nennt man mich sogar Bruland, das ist einfacher. Nur auf offiziellen Papieren steht der Name Bonassi - in meinem Paß, auf dem Taufschein, auf Zeugnissen und dergleichen.
    Heirevik ist meine Heimat, aber Villeverte ist es auch. Und im Lauf des Sommers unternehme ich stets einige Abstecher über die Grenze nach Italien, um dort meine vielen Freunde zu besuchen.
    Hier sitze ich nun und sehe mir an, was ich bisher erzählt habe. Die Vorgeschichte ist ziemlich lang geworden. Doch das alles habe ich erzählen müssen - ebenso wie man bei einer Strickarbeit zunächst einmal die Maschen aufschlagen muß, bevor man daran denken kann, ein Muster zu stricken.
    Jetzt bin ich auch bald damit fertig. Nur noch von einem muß ich erzählen: wie ich nämlich zu meinem Beruf gekommen bin.
    Ich habe nur zwei Begabungen. Ich bin geschmeidig wie eine Katze und leiste in Gymnastik und Sport wirklich etwas. In dieser Beziehung bin ich ja gleich von zwei Seiten erblich belastet, von meiner Mutter und meinem Vater her. Außerdem habe ich ein Talent fürs Nähen. Das zeigte sich schon sehr früh. Bereits als kleines Mädchen befaßte ich mich mit meinen Kleidern und brachte tatsächlich etwas Brauchbares zustande.
    Als ich sechzehn war und die Prüfung für die mittlere Reife ablegen sollte, kam meine Freundin Sigrid sehr unglücklich zu mir, ihre Schneiderin hatte sie sitzenlassen. Sie fragte, ob ich ihr nicht helfen könnte, ein Kleid für das Examensfest zu schneidern, sie hätte einen so hübschen Stoff.
    Ja, warum nicht? Ich ging an die Arbeit, und es machte mir riesigen Spaß.
    Und damit war die Lawine ins Rollen gekommen. Als ich die Schulprüfung bestanden hatte und aus Villeverte wieder nach Hause zurückgekehrt war, warteten bereits Sigrid und drei andere Freundinnen auf mich, sozusagen die Arme voller Stoff und mit Kleidern, die ich umarbeiten sollte. Wollte ich nicht so nett sein?
    Ich nähte, daß unsere alte Nähmaschine sich heißlief. „Hör zu“, sagte Mutti eines Tages zu mir. „Deine Näherei ist recht ordentlich. Aber wenn du die Absicht hast, darin weiterzumachen, solltest du die Sache von Grund auf erlernen.“
    Das habe ich getan. Mit achtzehn Jahren hatte ich bereits so viele Kundinnen, wie ich mir überhaupt nur wünschen konnte.
    In diesem Jahr heiratete Mutti Onkel Thomas.
    Onkel Thomas ist ein feiner Kerl, ich mag ihn gern, und Mutti und er sind glücklich miteinander.
    Aber ich hatte nicht gerade Lust, bei ihnen mitten in ihrem Flitterwochenglück zu wohnen. Deshalb war ich froh, als ich in der nächsten Straße eine kleine Einzimmer-Wohnung unter dem Dach fand. So blieb ich in Muttis Nähe und konnte sie sehen, so oft ich nur wollte. Selbstverständlich aß ich auch jeden Sonntag bei Mutti und Onkel Thomas zu Mittag. Aber trotzdem war ich ein freier Mensch.
    Sigrid brachte mich auf den Gedanken, in Häuser zu gehen und dort zu nähen. „Alle Menschen sind begeistert, wenn sie die Schneiderin bei sich im Haus haben können“, meinte Sigrid. „Und stell dir vor, was du dir da alles sparst, Mädchen! Du bekommst zu essen, hast einen geheizten Raum, eine Nähmaschine und obendrein gute Bezahlung. Da kannst du dir viel Geld sparen.“
    Das war richtig und gut überlegt. Das Wichtigste hatte Sigrid gar nicht erwähnt: Ich konnte mir soviel zusammensparen, daß ich jedes Jahr lange Sommerferien machen konnte.
    Die Kunden standen sozusagen Schlange. Ich ging von Haus zu
    Haus und nähte immerfort. Bis zum Juni... dann war Schluß bis September!
    Es kam das Jahr, in dem ich zwanzig wurde.
    Und damit habe ich die Maschen vom Strickzeug aufgeschlagen. Denn in dem Sommer, in dem ich zwanzig wurde, begann das Muster meines Lebens sich zu formen.

Ein blauer Anorak
    Es war Montag, der neunte Mai.
    Nach meinem Terminkalender sollte ich zur Witwe Grather auf dem Kleinen Waldweg
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