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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Autoren: Barbara Brühwiler
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ist klein, sie sind in der Autokolonne eingeschlossen. Von da an beäugen wir misstrauisch jede Bewegung des Löwen-Rudels, in der Hoffnung, dass unser Auto nicht ähnlich malträtiert wird. Zur Beruhigung versichern wir uns gegenseitig, dass es sich um einen Mietwagen handelt, und im Notfall können wir ja immer noch Tim ärgern. Das anschliessende Gebrüll, in das Max sicher auch einstimmen würde, sollte einen Löwen mit Leichtigkeit in die Flucht schlagen.
    Tim benimmt sich schon wie ein kleiner Südafrikaner, als wir auf der Terrasse des Lion Park zu Mittag essen: Er will unbedingt seine Schuhe ausziehen. Seinem Argument, alle anderen würden schliesslich auch barfuss herumlaufen, kann nicht widersprochen werden, weil es stimmt. Sogar im Flughafen haben wir beobachtet, wie zwei Kinder samt Papa barfuss in der Ankunftshalle warteten. Und hier rennen jede Menge blonde Racker mit blossen Füssen herum, unser Sohn passt also prima ins Bild. Das Restaurant ist sehr typisch für Südafrika: Man serviert viel gegrilltes Fleisch und Sandwiches mit Pommes Frites, die hier chips genannt werden (was bei uns Pommes Chips heisst, kriegt man hier unter dem Namen crisps ) und es hat einen Spielplatz. Wie luxuriös!
    Seit etwas mehr als drei Jahren, genau: seit Tims Geburt, haben wir kaum mehr in Restaurants gegessen. Nicht etwa weil uns das keinen Spass machen würde, sondern weil es jedes Mal einen grösseren organisatorischen Aufwand erforderte. In Zürich ist es - gelinde gesagt - schwierig, mit einem Kind ein Restaurant zu besuchen. Zuerst haben wir uns wochenlang Gedanken darüber gemacht, welches Restaurant wir kennen, in dem ein Kinderwagen parkiert werden könnte. Dann haben wir uns damit abgefunden, dass das Stadtzentrum eine no-go -Zone ist, denn dort ist es auch ohne Kinderwagen in der Regel so eng, dass sich nur die Person mit der kleinsten Kleidergrösse zwischen den Tischen durchschlängeln und hinter dem Tisch Platz nehmen kann. Diese Person hat zwar dadurch die beste Aussicht und die Genugtuung, anerkanntermassen einen schmalen Hintern zu haben, sie trägt aber auch das Risiko, dass derselbe beim Hindurchschlängeln von den vollen Spaghetti- oder Salat-Tellern des Nachbartisches einen Fleck abkriegt oder deren Weingläser zu Fall bringt.
    Wir entschieden uns also, mit dem Restaurant-Besuch zu warten, bis Tim sitzen konnte, da der Kinderwagen nirgends an einem Tisch zu parkieren war. Doch auch dann mussten wir enttäuscht feststellen, dass in den Gaststätten kaum Kinderstühle erhältlich sind, insbesondere keine, in denen die Knirpse unter Kontrolle bleiben. Restaurant-Besuche wurden mit der Zeit auch nicht einfacher, weil bei einem schreienden, sich windenden Kleinkind mit Tomatensaucen-Bart und -Händen der „Och wie süüüss!“-Effekt deutlich kleiner ist als bei einem Baby, und so sind wir seufzend Kunden von Take-aways geworden.
    Und hier also: Sonne, Restaurant mit Terrasse, Tim auf dem Spielplatz, Max schläft, und unser Essen wird serviert. Plötzlich fühlt es sich ein bisschen wie Urlaub an.
    Vielleicht hat ja auch das Essen einen klitzekleinen Anteil an der Urlaubsstimmung, denn dieses erinnert mich qualitativ stark an Touris-tenfallen am Mittelmeer. Und wahrscheinlich gibt es auch in einer Imbisstheke am Grand Canyon ähnliche Gerichte.
    Nachdem wir gefüttert sind, machen wir uns auf zur Fütterung der Giraffen. Ein Teil des Lion Parks kann zu Fuss erkundet werden, und dort können die Besucher den Tieren ganz nahe kommen. Zum Beispiel kann man einen Holzturm erklimmen und dort oben die Giraffen mit Heukeksen füttern. Was in meiner Familie aber niemand ausser mir wagen will. Tim möchte irgendwie schon, aber dann verlässt ihn der Mut, und er überlässt mir das Futter. Schade für ihn, so verpasst er das Gefühl einer ungewöhnlich rauen, rund 30 Zentimeter langen, dunkellila Zunge, die sich suchend in und um die Hand schlingt. Und er kann die wunderschönen langbewimperten Augen der Giraffen nicht aus der Nähe betrachten. Dabei ist das doch der Witz an diesem Turm, dass die Besucher einmal das Gesicht einer Giraffe sehen können, anstatt nur von unten in ihre Nasenlöcher und Halsbeugen starren zu müssen.
    Tim ist dafür mutig genug, um die kleinen Löwen zu streicheln. Ich knipse eifrig, und eines dieser Fotos wird danach seine Freunde aus der Küsnachter Kinderkrippe nachhaltig beeindrucken. Damit ist ihr Weltbild gefestigt: Wer in Afrika wohnt, ist täglich unterwegs auf Abenteuer mit
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