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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Autoren: Barbara Brühwiler
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des normalen Lebens nicht geschafft, daraus eine jener Hollywood-typischen, herzrührenden Szenen zu zaubern, die den Zuschauer das Taschentuch zücken lassen.
    Wären wir in einem Film mit Jennifer Aniston, dann hätten Ehemann und Ehefrau alle Zeit der Welt, um sich tief in die Augen zu schauen und sich nicht mehr loszulassen. Wobei man sich fragen kann, wie sich in der Zwischenzeit die Kinder verhalten, und weshalb die Gepäckkarre nicht innerhalb von Nullkommanix geklaut wird, wenn deren Besitzer so offensichtlich nichts ausser sich selbst wahrnehmen. Aber vielleicht bin ich da einfach zu sehr kopflastig. Mein Göttergatte schaut sich ja auch keinen James Bond-Film mit mir an. Er meint, ich nehme ihm den ganzen Spass, wenn ich dauernd den Kopf schüttle und Kommentare abgebe wie „Unrealistisch!“ „Wie soll denn das gehen?“ „Weshalb braucht man ein Kaminfeuer am Strand von Kuba?“.
    In der ganz realen Welt am Flughafen von Johannesburg ist es so, dass Tim seinen Papa komplett in Beschlag nimmt, sobald er ihn im Ankunftsbereich erspäht. Und Max seine Mama, denn seit unserer Ankunft auf südafrikanischem Boden besteht er darauf, dass er unser neues Leben nur auf meinem Arm in Angriff nehmen kann. Nur gut, dass die Südafrikaner und insbesondere die Johannesburger so kinderfreundlich sind: Eine Flughafenangestellte hat mich, die allein reisende Mutter mit zwei Kleinkindern, schon seit der Flugzeugtreppe unter ihre Fittiche genommen. Mit ihrer Hilfe sind wir an den Warteschlangen vorbei durch Passkontrolle und Zoll gesegelt, und nun schiebt sie auch unsere Gepäckkarre. Lukas dirigiert sie durch die Traube der Menschen, die auf jemanden warten, in Richtung Parkhaus. Ich stolpere hinterher, kann es noch kaum fassen: Wir sind in Südafrika gelandet. Als Einwanderer. Und es fühlt sich so normal an.

    Die nächsten zwei Wochen, bis der Container mit unseren Möbeln und anderen Habseligkeiten geliefert wird, verbringen wir in einer kleinen Wohnung in einer Bed&Breakfast Pension. Diese Pensionen gibt es in Südafrika zu Tausenden, wenn nicht sogar zu Hunderttausenden. Es ist hier keineswegs ungewöhnlich, dass ein Ehepaar zwei Zimmer auf seinem Grundstück oder sogar in seinem Haus an Gäste vermietet. Die dürfen es sich dann im Esszimmer und manchmal sogar im Wohnzimmer bequem machen und den Pool mitbenützen. In unserem Fall ist es jedoch ein grösseres B&B mit kleinen Häus-chen, in denen die Zimmer sind, eigentlich ein Hotel. Auf dem Gelände streichen rund acht Hunde herum, die zwar zu den Gästen sehr freundlich sind, aber doch sicher die Aufgabe haben, ungebetene Eindringlinge zu verscheuchen. Keine Ahnung, wie sie die einen von den anderen unterscheiden, aber angeblich sind Hunde ja sehr intelligent.

    Endlich in Südafrika angekommen, fühlt es sich nun an, als hätten wir auf der Autobahn einen Vollstopp gerissen. In den letzten Wochen war ich immer ausgebucht gewesen. Aber nachdem ich in unserer kleinen B&B-Wohnung die Koffer ausgepackt und unsere beschränkten Habseligkeiten möglichst praktisch verstaut habe, gibt es vorerst keine weiteren Aufgaben.
    Ausser die wilden Tiere zu besuchen.
    Der „Lion Park“ von Johannesburg liegt praktisch gleich um die Ecke. Also nichts wie hin. Man kann dort nicht nur – wie es der Name vermuten liesse – Löwen beobachten, sondern auch eine ganze Anzahl anderer afrikanischer Tiere. In unserem Mietauto fahren wir erst die Safari-Strecke ab und bewundern Zebras, Gnus und Strausse. Dann besuchen wir die Löwen in ihren vier kleeblattartig angeordneten Gehegen. Die hiesigen Löwen sind genau, wie sie gemäss Lehrbuch sein sollen: faul. So ein König der Tiere frisst sich ja in freier Wildbahn nur ein bis zweimal pro Woche satt, sofern die Jagd erfolgreich war, und sobald sein Bauch genügend voll ist, legt er sich hin. Und ruht sich ein paar Tage aus. Wir sind also ganz entzückt, als ein junger Löwe voller Tatendrang beschliesst, sich die Welt mal von oben anzuschauen und auf einen Baum zu klettern. Wie fotogen! Es stauen sich die Autos, und trotz ausdrücklichen Warnungen werden Autoscheiben heruntergedreht, um ja nichts zu verpassen. Nach einigen Minuten können wir jedoch beobachten, wie die Autoscheiben beim Auto vor uns mit hektischer Eile wieder hochgekurbelt werden, denn ein Löwenweibchen schnuppert, kratzt und leckt am Seitenspiegel des Autos.
    Soweit ich sehen kann, entstehen aufgeregte Diskussionen im Wagen, doch der Aktionsradius der Angegriffenen
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