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Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire
Autoren: Nelson Johnson
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konzentrierte er auf eine sandige kleine Insel an der Südküste von New Jersey.
    Am Anfang seiner Arbeit als Arzt hatte Pitney die Bucht von Absecon einmal in einem Ruderboot überquert, um einen Patienten zu behandeln, der auf einer Insel namens Further Island lebte. Diese kleine Düneninsel war durch Stürme und den Wechsel der Gezeiten entstanden und eine unwirtliche Kombination aus Sandbergen, Sümpfen und Wasservögeln. Die Lenni-Lenape-Indianer hatten die Insel »Absegami« getauft, was so viel bedeutete wie »Kleines Meerwasser«. Im Sommer waren sie regelmäßig hierher gekommen, um der Sommerhitze auf dem Festland zu entfliehen. Further Island war ein ziemlich trostloser Ort mit einer Handvoll Einwohner, die alle aus ein und derselben Familie stammten und in sieben Hütten quer über die Insel verteilt lebten. Neben diesen einsamen Behausungen gab es lediglich »ein paar Baracken für Austernfischer und einige spartanische Gästehäuser für ein paar lustige Gesellen aus Philadelphia, die zum Fischen oder Jagen oder für ein echtes Naturerlebnis auf die Insel kamen.« 1 Schon damals nutzten sowohl die Indianer als auch die Kolonisten Further Island als eine Art Freizeitpark.
    Die Lenni Lenape gaben ihr Land in Süd-NewJersey schließlich für Kleidung, Eisenwaren, Messer, Hacken oder Äxte auf. Der erste eingetragene Grundstücksbesitzer von Further Island war ein gewisser Thomas Budd. Er kaufte 1679 circa 6000 Hektar Land nördlich und südlich vom Great Egg Harbor River von einem Mann namens William Penn und einer Gruppe Quäker, die das Land als Entschädigung für eine Geldschuld erhalten hatten. Budd wiederum verscherbelte seine Anteile an andere Siedler zu einem Preis von 1,5 Cent pro Hektar auf der Insel und 15 Cents, wenn der Grund auf dem Festland lag.
    Als Pitney die Insel betrat, stammten noch alle Einwohner vom Kriegsveteranen Jeremiah Leeds ab. Nach der Amerikanischen Revolution hatte Leeds eine Hütte aus Zedernholz auf Further Island errichtet und sich dort mit seiner Frau Judith niedergelassen. Leeds und seine Nachkommen nannten ihr Zuhause »Absecon Island«. Jeremiah Leeds war ein Bär von einem Mann, über eins achtzig groß und 115 Kilogramm schwer. Zusammen mit seinen zehn Kindern bewirtschafte er sein Land und erntete Mais und Roggen. Die Einträge aus dem Getreideverkauf und Fischfang erlaubten der Familie ein mehr als ausreichendes Einkommen. Leeds lag die Abgeschiedenheit der Insel. Der sparsame Bauer kaufte jede Menge Land zusammen, aber verkaufte nichts davon. Kurz vor seinem Tod besaß Leeds fast fünfhundert Hektar Land auf Absecon Island. Damit fehlten ihm lediglich noch fünfzig Hektar vom Rest der Insel, auf die er aber keinen Anspruch hatte.
    Pitney gefiel die unberührte Natur auf Absecon Island. Er kam öfter her und beschloss, hier etwas aufzubauen. Pitney war überzeugt davon, dass die Insel genug Potenzial zum Luxus-Ferienort besaß, aber weil er ja schließlich Arzt war, wollte er die Insel als Kurort etablieren. Weder seine Arztpraxis noch seine politischen Ämter würden ihn reich oder mächtig machen, aber als Gründer eines Kurorts sähe das ganz anders aus. Pitney wollte eine »Stadt am Meer« bauen. Er pries die Seeluft und das Salzwasser als Allheilmittel an und empfahl seinen Patienten bei jedem Leiden einen Aufenthalt auf Absecon. Die Frage war nur, wie brachte man die Leute nach South Jersey und auf die Insel?
    Pitney startete eine Leserbriefkampagne in den Tageszeitungen von Philadelphia. Ihm war klar geworden, dass eine direkte Verbindung zwischen Absecon Island und Philadelphia nötig war. Um seine Pläne zu verwirklichen, musste der Kurort unbedingt im Einzugsbereich einer Großstadt liegen, und im Süden gab es nur Philadelphia. In den Briefen von »Doktor Pitney« wies er unermüdlich auf die gesundheitlichen Vorzüge von Absecon Island hin und betonte die Dringlichkeit einer Eisenbahnverbindung zwischen Philadelphia und der Küste. Doch die jahrelange Briefkampagne blieb erfolglos. Die Einzigen, die sich für die Idee begeistern konnten, waren die Nachfahren von Jeremiah Leeds, denn nicht alle von ihnen wollten ihr Leben lang Bauern bleiben und hofften, ihr Land irgendwann teuer verkaufen zu können. Aber sogar die Leeds glaubten nicht so recht an Pitneys Vorhaben. Die Insel, die Pitney 1850 in seinen Briefen beschrieb, bestand »fast ausschließlich aus feinem weißen Sand, der sich wie sanfter Schnee zu kleinen Hügeln häufte. […] Zahlreiche
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