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Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire
Autoren: Nelson Johnson
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untergeordnet: der Unterhaltung der Touristen. Die gesamte Wirtschaft hing von dem Geld ab, das die Auswärtigen hier ausgaben. Deshalb mussten die Besucher die Stadt mit einem guten Gefühl verlassen. Taten sie das nicht, kamen sie und ihr Geld nicht wieder.
    Der Schlüssel zum Erfolg waren Dienstleistungen, die sich ausschließlich an den Vorlieben der Kunden orientierten, egal ob erlaubt oder nicht. Man appellierte schamlos an das Bedürfnis der Gäste nach Verbotenem und kultivierte den Exzess. Bereits kurz nach seiner Gründung war Atlantic City ein Hort der Freizügigkeit. Das Laster war die Hauptattraktion der Stadt. Also musste die Stadtverwaltung eine entsprechende Infrastruktur schaffen. Es war unvermeidlich, dass die Bosse der Lasterhöhlen mit den politischen Führern gemeinsame Sache machten, denn ohne eine Absprache dieser beiden Parteien hätte der Fremdenverkehr in Atlantic City keine Chance gehabt. Es wäre schlecht fürs Geschäft gewesen, die Urlaubsgäste polizeilich zu belangen, während sie sich amüsierten. Es spielte keine Rolle, dass Glücksspiel, Prostitution und der Verkauf von Alkohol so ziemlich jedes Gesetz und alle Moralvorstellungen der damaligen Zeit missachteten, nichts sollte das Vergnügen der Besucher beeinträchtigen. Die Stadtväter ignorierten das Gesetz, soweit es ging, und stellten der illegalen Vergnügungsindustrie einen Freibrief aus.
    Diese eingeschränkte wirtschaftliche Ausrichtung erforderte auch einen eingeschränkten Blick auf die Wirklichkeit. In Kombination mit der seit Generationen vorherrschenden Dominanz der Republikanischen Partei im südlichen New Jersey ergab das eine Mentalität, die einen normalen Politikbetrieb unmöglich machte. Reformer und Kritiker waren ein Luxus, den man sich nicht leisten konnte. Der Erfolg der ortsansässigen Wirtschaft war die einzig gültige Maxime, eine zweite politische Partei als Opposition war hier undenkbar. Man passte sich dem System an oder wurde ausgebootet. Diese republikanische Bulldozer-Politik, finanziert mit Geld aus kriminellen Geschäften, war seit Anfang des 20. Jahrhunderts fest in der Gesellschaft verankert.
    Der erste »Boss« von Atlantic City war Louis »The Commodore« Kuehnle, der zwischen 1890 und 1910 regierte. Der Kommodore erkannte das enorme finanzielle Potenzial der Vergnügungsbranche für seine politische Organisation. Kuehnle entwickelte ein System der Erpressung von Schutzgeldern, die er bei allen abschöpfte, die illegale Amüsiergeschäfte betrieben. Unter der Schirmherrschaft des Kommodores existierten verbotene Spielhallen, Bordelle und Flüsterkneipen, sogenannte »speak easies«, in denen illegal Alkohol ausgeschenkt wurde, als wären sie vollkommen legal. Die Polizei griff nur ein, wenn einer dieser Betriebe seine Abgaben zu spät oder gar nicht bezahlte. Diese Schmiergelder sowie die geheimen Lohnrückzahlungen von Vertragspartnern und Angestellten bildeten die finanzielle Grundlage von Kuehnles Organisation. Erst nachdem er sich bei den Gouverneurs-Wahlen mit Woodrow Wilson angelegt hatte, wanderte er wegen Wahlbetrug ins Gefängnis.
    Kuehnles Nachfolger Nucky Johnson war die folgenden dreißig Jahre der absolute Machthaber in Atlantic City. Johnson hatte ein Gespür für Menschen wie für politische Intrigen. Alle, die in der Stadt oder in der Region ein öffentliches Amt innehatten, verdankten es ihm. Er verdiente an jedem öffentlichen Auftrag und jeglichem Glücksspiel mit. Bevor er ins Gefängnis ging, setzte Kuehnle Johnson als Nachfolger ein, weil nur er die Politiker und die Racketeers , die illegalen Geschäftemacher, hinter sich hatte. Zu jener Zeit waren die Bürger von Atlantic City längst an den uneingeschränkten Führungsanspruch einzelner Politiker gewöhnt, sie akzeptierten Nucky ohne Weiteres als neuen Anführer und erwarteten sogar denselben autoritären Regierungsstil von ihm. Sie wurden nicht enttäuscht. Mit List und Finesse wurde Nucky zum Anführer beider Welten. Er war der mächtigste Republikaner in New Jersey, entschied über die Karrieren von Gouverneuren und Senatoren und wurde von der Unterwelt respektiert. Gangster und Politiker vertrauten ihm gleichermaßen.
    Nucky Johnson war die perfekte Galionsfigur für Atlantic City. Die wirtschaftliche und politische Struktur, die sich dort entwickelt hatte, war durch und durch korrupt. Hätte sich Johnson geweigert, mit dem organisierten Verbrechen zu kooperieren, wäre er sofort ersetzt worden. Nucky arbeitete sogar
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