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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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so lange nach Engil zurück, bis sie zwei Nachfolgerinnen erwählt hatte. Das Schicksal der Königinnen war
     also nicht minder grausam als das der Blutschwestern – Verbannung oder Tod waren keine Aussichten, die ihren Herzen Hoffnung
     machten konnten.
    Sasalor und Liandra waren mit ihrer Litanai am Ende und hoben nun gleichzeitig die Hände. Wie aus einem Mund begannen sie
     zu sprechen. »Es ist Zeit für die Blutschwestern, bald werdet ihr vor Muruk treten.«
    Denala, Tacha und Apat tauschten einen gehetzten Blick mit Nona. Keine von ihnen wollte sterben, doch ihr Schicksal rückte
     unaufhaltsam näher.
    »Habt ihr schon die Königinnen gesehen?«, flüsterte Denala, die ergebenste und sanftmütigste ihrer Gefährtinnen, mehr um sie
     von ihrer Angst abzulenken, denn aus wirklicher Neugierde. Sie schüttelten fast gleichzeitig den Kopf. Niemand kannte die
     Schwesterköniginnen. Ebenso wie die Blutschwestern wurden sie behütet und geschützt, bis sie ihre Bestimmung erfüllt hatten.
     Doch beim Opfer für Muruk würden sie anwesend sein. Akari und Ilana, das waren ihre Namen, soviel wusste man, doch ihre Gesichter
     hatten nur die höheren Priester und Priesterinnen oder die sie umgebenden Diener je gesehen.
    Langsam setzten sich die Reihen der Mädchen in Bewegung. Die Jüngeren traten beiseite, um den vierzehn Auserwählten den Vortritt
     zu lassen. Nona hielt sich dicht zwischen Tacha und Apat. Die vertrauten Freundinnen am Tag ihres Todes um sich zu haben,
     nahm ihr zwar nicht die Angst, doch es tröstete sie ein wenig. Apat nahm heimlich Denals Hand, und Nona warf einen prüfenden
     Seitenblick auf Tacha. Die Augen ihrer Gefährtin waren stur geradeaus gerichtet. Nona senkte den Blick. Vor wenigen Tagen
     war Tacha zu ihr gekommen, heimlich in der Nacht, und hatte sie angefleht, |28| mit ihr zu fliehen. Tacha war einer jener rebellischen Geister, die sich nicht in das ihnen zugedachte Schicksal fügen mochten.
     Sie hasste Muruk, sie hasste seine Priester, und mehr als einmal hatte Nona sie zur Vorsicht mahnen müssen, ihre aufrührerischen
     Reden gegen Sasalor nicht jedem ins Ohr zu flüstern. Auch wenn Nona und wahrscheinlich einige andere ebenso dachten wie Tacha
     – sie hätten es nie gewagt, ihre Gedanken laut zu äußern. Muruks Zorn konnte groß sein, und seine Priester konnten grausam
     sein.
    Doch nun, so kurz vor der Erfüllung ihres Schicksals, fragte sich Nona, ob sie nicht doch auf Tachas Flehen hätte eingehen
     sollen. Die Angst vor Sasalor und den Greifen, die sie verschleppen, schänden und töten würden, hatte sie zurückschrecken
     lassen. Hier und jetzt aber schreckte sie der Gedanke an Sasalors scharfes Opfermesser weitaus mehr. Nona wunderte sich über
     die Ruhe, die Tacha heute offenbar besaß. Hatte sie sich letztendlich in ihr Schicksal gefügt?
    »Tacha«, flüsterte Nona ihr zu, doch da wurden sie bereits von den anderen, die hinter ihnen waren, aus der Halle gedrängt.
     Gemeinsam traten sie ins Freie und mussten blinzeln, weil die Sonne sie blendete. Mittlerweile war es später Mittag, der Tag
     versprach heiß zu werden. Schweigend gingen sie den Hügel hinunter. Nona zog sich der Magen zusammen, als der Opferplatz in
     Sichtweite kam. Schon von weitem konnte sie die Körper der Engilianer erkennen, die drückten und drängten, um eine gute Sicht
     auf das Geschehen zu haben. Sasalor und Liandra führten die Mädchen in den Opferkreis und wiesen ihnen ihre Plätze zu. Nona
     stand auf der Ziffer Neun, während Tacha der achte Platz zugeteilt wurde und Denala und Apat den zehnten und elften Platz
     belegten.
    Nona schluckte hart. Sie würde mit ansehen müssen, wie Tacha die Kehle durchtrennt würde. Alles in ihr wehrte sich gegen diese
     Vorstellung. Tacha, mit der sie aufgewachsen war, mit der sie als Kind gespielt hatte, die rebellische Tacha, die immer als
     Erste aufbegehrte, |29| sollte einfach vor ihren Augen zum Schweigen gebracht werden, mit einem schnellen Schnitt durch die Kehle. Nona vermied den
     Blick auf die düstere Gesandtschaft aus Dungun. Allesamt waren sie in dunkle lange Gewänder mit Gürteln aus Greifensilber
     gekleidet. Manche von ihnen trugen Helme, die ihr Gesicht bedeckten und eine Reihe Schjackzähne aufwiesen, andere hatten sich
     die spitzen Raubtierzähne durch ihre Nasen, Ohren oder auch Wangen gestoßen. Nona unterdrückte das Gefühl, sich schütteln
     zu müssen. Die Gesandtschaft aus Dungun zeigte sehr offen, welchem Gott sie ergeben
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