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Blutrot

Titel: Blutrot
Autoren: Jack Ketchum
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verscheuchte das Gerede die Fische, oder es lag an dem dicken Jungen, der mit dem Fuß noch immer Steine aufwirbelte.
    »Wie alt ist er denn?«
    Er musste überlegen. Mary hatte ihm den Hund zum dreiundfünfzigsten Geburtstag geschenkt, als er gerade sechs oder sieben Wochen alt war. Es war das Jahr vor ihrem Tod gewesen. Sie war 1983 gestorben.
    »Dreizehn oder vierzehn.«
    »Hässlicher alter Köter.«
    Darauf wusste der alte Mann nichts zu entgegnen. Aber er wusste, dass der Ton des Jungen ihm nicht gefiel. Der konnte wohl nichts mit Tieren anfangen.
    Er begann, die Leine einzuholen.
    »Was für Köder verwenden Sie?« Der magere Junge in Gelb schaute in den Angelkasten.
    »Würmer.«
    »Lebende?«
    »Nein, aus Plastik. Ich hab sie irgendwann ausprobiert, seitdem funktionieren sie für mich am besten.«
    »Ich mag am liebsten Buzzbaits. Schon mal damit versucht?«
    »Nein, hab ich nie benutzt. Manchmal nehme ich Jitterbugs oder Popper, aber meistens diese Plastikwürmer.«

    »Mann, hör auf mit dem Gelaber, Harold«, sagte der Junge mit der Schrotflinte. »Und du, Opa, legst jetzt die Angel weg.«
    Der alte Mann blickte zu den Jungen hinüber, während diese zwei Schritte auf ihn zutraten.
    Die Flinte war jetzt auf ihn gerichtet, sie zeigte auf seinen Bauch. Was zum Henker soll das jetzt?
    Der Junge legte den Entsicherungshebel um.
    Der Hund knurrte und erhob sich.
    »Ruhig«, sagte er zu dem Tier. »Ganz ruhig.«
    Er streckte die Hand aus. Man konnte sich darauf verlassen, dass der Hund befolgen würde, was die Hand ihm befahl, selbst wenn sein Instinkt ihm das Gegenteil sagte. Jetzt setzte er sich auf die Hinterläufe und knurrte so leise, dass man es leicht überhören konnte, wenn man nicht genau hinhörte. In diesem Moment wollte der Hund nichts anderes als aufspringen und ihn verteidigen, ganz gleich, wie alt und arthritisch er war.
    »Der Köter bleibt besser sitzen«, sagte der Junge mit dem Gewehr. »Und du legst jetzt endlich die verdammte Angel weg, Opa.«
    Sprich ganz vernünftig mit ihm, dachte der alte Mann. Am besten, er verhielt sich jetzt völlig normal, obwohl man das von dem Burschen weiß Gott nicht behaupten konnte.
    »Wenn ich sie loslasse, geht sie mir vielleicht verloren«, sagte er. »Was ist, wenn einer anbeißt? Sie beißen heute ziemlich gut.«

    Der Junge sah ihn verdutzt an, dann schüttelte er grinsend den Kopf.
    »Na schön. Hol die Leine ein. Und dann legst du die Angel weg.«
    Der alte Mann tat wie ihm befohlen. Er konnte sehen, wie sehr der Junge seine Macht genoss. Mehr, als ihm gut tat. Er wollte ihn nicht provozieren.
    »Gib die Brieftasche her«, sagte der Junge.
    Der alte Mann schüttelte den Kopf.
    »Die liegt im Handschuhfach meines Wagens. Ihr seid auf dem Weg hierher an ihm vorbeigelaufen. Ein grüner Chevy-Pick-up drüben auf der Lichtung.«
    »Blödsinn«, sagte der dicke Junge.
    »Es stimmt. Ich nehme meine Brieftasche nie mit. Hier unten braucht man kein Geld. Und falls ich wegen einer verhedderten Leine oder im Kampf mit einem Fünfpfünder ins Wasser muss, würde meine Brieftasche nass. Ich müsste also daran denken, sie vorher in den Angelkasten zu legen, was ich bestimmt vergessen würde. Deshalb verwahre ich sie im Handschuhfach. Es sind zwanzig, dreißig Dollar drin. Ich sage zwar nicht, ihr könnt euch das Geld gerne nehmen, aber mit einer Schrotflinte lege ich mich auch nicht an. Also, holt es euch.«
    Ganz langsam griff er in seine Jackentasche.
    »Ihr braucht die Wagenschlüssel«, sagte er.
    »Wie viel ist sein Angelzeug wert?«, fragte der Junge mit dem Gewehr den Jüngsten, denjenigen, den er Harold genannt hatte.

    »Ist alles alter Kram. Ein paar halbwegs brauchbare Fliegen. Aber nichts, was sich gut verscheuern lässt.«
    Es war keine zutreffende Bewertung, falls der Junge irgendetwas vom Angeln verstand, und der alte Mann spürte, dass dies der Fall war. Die Fliegen waren allesamt handgeknotet, eine gute Sammlung. Sie allein hätten schon ein hübsches Sümmchen eingebracht. Falls der Junge das wusste, verriet er es jedenfalls nicht.
    Er fragte sich, warum.
    »Irgendwelche Kreditkarten in der Brieftasche, Opa?«
    »So was benutze ich nicht.«
    Lachend schüttelte der Junge den Kopf. Er kam einen Schritt näher. Jetzt sah der alte Mann, dass die Schrotflinte eine Browning Auto-5 Kaliber 12 war, nagelneu und teuer. Er nahm den Geruch des Waffenöls so intensiv wahr wie den im Innern eines neuen Autos. Derweil nahm er die Schlüssel heraus und hielt
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