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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit
Autoren: P.B. RYAN
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berüchtigte Gefangenenlager war die Hölle auf Erden gewesen, die Robbie das Leben gekostet und Will bleibende Schäden an Leib und Seele zugefügt hatte.
    â€žMiss Sweeney, schau mal!“, rief Gracie und kletterte, eine große Schüssel in den kleinen Händen, von ihrem Schemel herunter. Die viel zu lange Schürze schleifte über den Boden, als das Mädchen herübergeeilt kam. „Schau, den hab ich gemacht. Mit Honig und Rosinen! Probier mal!“
    Nell probierte von dem Haferbrei, den Gracie ihr erwartungsvoll hinhielt, und zeigte sich sehr angetan. „Oh, das ist aber wirklich lecker, mein Schatz. Das ist gewiss das beste Porridge, das ich jemals gegessen habe. Du wirst ja eine richtig gute Köchin!“ Nachdem sie ihrem Lob noch eine Umarmung hatte folgen lassen, kehrte Gracie auf ihren Schemel am Herd zurück, und Nell wandte sich wieder ihrem Gespräch mit Peter zu.
    â€žIhnen war Dr. Hewitts Akzent aufgefallen?“, fragte sie. „Hatte er denn mit Ihnen gesprochen?“
    Kauend schüttelte Peter den Kopf. „Nein, mit mir nicht – aber mit ihr, als die Probe vorbei war und sich alle noch mal verbeugt haben. Da ist er aufgestanden und hat laut applaudiert und ihr was zugerufen. ‚Bravo, Mrs. Kimball, hervorragend‘ … oder so. Danach hat er die Blumen runtergeworfen, und sie landeten genau vor ihren Füßen. Ich dachte ja, sie würde sie aufheben, aber sie hat nur gelächelt und gesagt: ‚Orchideen sind mir lieber, Doc. Ein so kluger Junge wie Sie hätte sich doch eigentlich ein wenig erkundigen können.‘“
    Die Worte ließen Nell kurz zusammenzucken, erinnerten sie sie doch wieder an das, was sie über Wills vergebliches Werben um Virginia Kimball gehört hatte – dass es da einen italienischen Grafen geben sollte, der ihr das Haus in Beacon Hill und all die diamantenen Geschmeide gekauft hatte, die ihr Markenzeichen geworden waren. Das hatte sie jedoch nicht davon abgehalten, mit Will zu kokettieren, bis dann besagter Graf seinen Besuch ankündigte und sie den in sie vernarrten jungen Arzt wissen ließ, er solle nun ein guter Junge sein und sich trollen und sie nicht länger belästigen.
    â€žUns, also Liam und mich, hat damals überrascht, dass sie ein bisschen so sprach wie die Leute aus den Südstaaten. Wenn sie auf der Bühne stand und spielte, klang sie wirklich klasse … Sie wissen schon, ganz vornehm und so ein bisschen eingebildet. Irgendwie englisch. Aber egal. Sie hat die Rosen jedenfalls da liegen lassen und ist mit wallendem Kleid von der Bühne gerauscht, und ihr Gefolge hinter ihr her. Ich dachte mir, der Bursche da drüben mag ja vielleicht aussehen wie ein Prinz, aber sie ist eben die Königin – und das weiß sie auch ganz genau.“
    â€žOh ja, das kann ich mir gut vorstellen“, murmelte Nell und wandte sich endlich dem Zeitungsartikel zu.
    Durch einen Akt unsäglicher Grausamkeit ist Mrs. Virginia Kimball, die auf Bostons Bühnen gefeierte Schauspielerin, dem Leben entrissen worden. Gegen vier Uhr am gestrigen Nachmittag fand sich Mr. Maximilian Thurston, selbst ein bedeutender Dramatiker unserer Stadt, in Mrs. Kimballs Haus in der Mt. Vernon Street ein. Er und Mrs. Kimball, die seit Jahren Nachbarn und gute Bekannte waren, pflegten jeden Tag um diese Zeit miteinander Tee zu trinken. Nachdem er zweimal angeklopft und niemand ihm geöffnet hatte, machte Mr. Thurston schließlich die Tür auf und rief: „Virginia! Bist du zu Hause?“ Der mittlerweile recht beunruhigte Besucher sah sich zunächst im Erdgeschoss von Mrs. Kimballs Stadthaus um und ging dann, nachdem er dort niemanden angetroffen hatte, hinauf in den ersten Stock, wo sich ihm ein Anblick der schrecklichsten und bedauerlichsten Art bot.
    Mrs. Kimball lag an der Schwelle ihres Schlafzimmers, das Mieder ihres Kleides blutgetränkt, neben ihr auf dem Boden eine Remington-Taschenpistole, welche von Mr. Thurston als jene der Schauspielerin identifiziert wurde. Wenngleich tödlich verletzt, regte sich noch ein letzter Lebensfunke in Mrs. Kimball, der sie Mr. Thurstons Hand ergreifen ließ, bevor sie in seinen Armen verschied. Ein weiterer Schrecken sollte Mr. Thurston ereilen, als er am Fuße von Mrs. Kimballs Bett den leblosen Leib ihrer jungen Dienerin Fiona Gannon vorfand. Sie war in den Kopf geschossen worden.
    Es kursieren bereits zahlreiche Gerüchte und
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