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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik
Autoren: Greg Bear
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keine Anhaltspunkte für solch eine
Vermutung, und es hatte keinen Sinn, paranoid zu sein.
    Im Labor war es dunkel, als Vergil die Tür öffnete.
Hazel saß an einer kleinen UV-Lampe und führte eine
Fluoreszenzuntersuchung an einer mit Elektrophorese behandelten
Matrize mit Eiweißkörpern durch. Vergil schaltete das
Licht ein. Sie blickte auf und nahm die Schutzbrille ab, bereit zu
einer gereizten Bemerkung.
    »Sie sind spät dran«, sagte sie statt dessen.
»Und Ihr Labor sieht aus wie ein ungemachtes Bett. Vergil, es
ist…«
    »Kaputt«, beendete er den Satz für sie und warf
seinen Kittel über seinen Hocker.
    »Sie ließen eine Anzahl Reagenzgläser auf dem
Tisch im Gemeinschaftslabor liegen. Ich fürchte, sie sind
ruiniert.«
    »Scheiß drauf!«
    Hazel sah ihn groß an. »Meine Güte, in was
für einer Stimmung Sie sind!«
    »Ich bin abgemahnt worden. Ich muß meine
außerplanmäßige Arbeit aufgeben und alles
ausräumen, oder Harrison gibt mir den Laufpaß.«
    »Das ist nicht mehr als recht und billig«, sagte Hazel
und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Harrison hatte im Vormonat
eine ihrer außerplanmäßigen Projekte stillgelegt.
»Was haben Sie gesagt?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich lieber allein
sein.« Vergil musterte sie finster über den Tisch hinweg.
»Sie können das im Gemeinschaftslabor beenden.«
    »Ich könnte, aber…«
    »Wenn Sie es nicht tun«, sagte Vergil drohend,
»werde ich Ihre kleinen Kulturen mit meinen Flügelspitzen
auf den Boden schmieren.«
    Hazel sah ihn eine kleine Weile aus schmalen Augen an und kam zu
dem Schluß, daß er dazu imstande wäre. Sie schaltete
die Elektroden ab, nahm ihre Sachen und ging zur Tür. »Mein
Beileid«, sagte sie.
    »Klar.«
    Er mußte sich etwas ausdenken. Während er sich das
stopplige Kinn kratzte, versuchte er einen Weg zu finden, der seine
Verluste verringern würde. Er könnte die Teile des
Experiments opfern, die entbehrlich waren – die E. coli-Kulturen
zum Beispiel. Er war längst darüber hinaus, hatte sie
gleichsam als Erinnerung an seine Fortschritte aufbewahrt, und als
eine Art Reserve für den Fall, daß die nächsten
Arbeitsstadien mit Fehlschlägen endeten. Es war jedoch alles gut
gegangen. Zwar hatte er noch keinen Abschluß erreicht, war ihm
aber so nahe, daß er den Erfolg wie einen kühlen,
aromatischen Schluck Wein schmecken konnte.
    Hazels Hälfte des Laboratoriums war aufgeräumt, sauber
und ordentlich. Seine Hälfte war ein Chaos von Ausrüstungen
und Chemikalienbehältern. Eines seiner wenigen
Zugeständnisse an die Sicherheitsvorschriften, eine weiße
Saugmatte zum Auffangen von verschütteten Flüssigkeiten,
hing halb vom Arbeitstisch und wäre zu Boden gefallen,
hätte nicht der Kanister mit Reinigungsmittel auf einem Zipfel
gestanden.
    Vergil stand vor der weißen Notiztafel, rieb sich den
Stoppelbart und starrte auf die geheimnisvollen Botschaften, die er
am Tag zuvor hingekritzelt hatte.
     
Kleine Ingenieure. Machen die winzigsten Maschinen der
Welt. Besser als MABs! Kleine Chirurgen. Führen Krieg gegen
Tumore. Computer mit Riesenkapazität. (Computer –
Mustertumor, Ha!) Größe von Volvo.
     
    Offensichtlich das Gefasel eines Verrückten. Hazel konnte ihm
kaum Beachtung geschenkt haben. Oder vielleicht doch? Es war
allgemein geübte Praxis, jede zufällige Idee oder
Inspiration oder auch einen Scherz an die Tafel zu schreiben, wo sie
vom nächsten eiligen Genius ausgelöscht wurden.
Dennoch…
    Die Bemerkungen könnten die Neugierde einer so klugen Frau
wie Hazel erregt haben. Um so mehr als seine Arbeit an den MABs ins
Hintertreffen geraten war.
    Er war nicht sehr umsichtig vorgegangen.
    MABs – Medizinisch anwendbare Biochips – sollten das
erste praktische Erzeugnis der Biochip-Revolution sein, die
Verbindung von Schaltkreisen aus Proteinmolekülen mit
Silikonelektronik. Biochips waren in der Fachliteratur seit Jahren
Gegenstand von Spekulationen, aber Genetron hoffte, der
Bundesaufsichtsbehörde für Lebensmittel und Arzneien
innerhalb der nächsten drei Monate erste einsatzfähige
Muster zur Prüfung und Genehmigung einreichen zu
können.
    Sie sahen sich scharfem Wettbewerb ausgesetzt. In dieser Gegend,
die bald unter dem Namen Enzyme Valley bekannt werden sollte –
dem Biochip-Äquivalent von Silicon Valley –, hatten sich
mindestens sechs Firmen niedergelassen, die meisten von ihnen in und
um La Jolla. Einige hatten als Pharmazeutische Betriebe angefangen,
in der Hoffung, mit den
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