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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sein Hemd zerschnitten
hatte. Die Wunde hatte sich längst wieder geschlossen und die
Haut darunter war vollkommen unversehrt.
»Siehst du, ich hatte Glück, du hast nur mein Hemd erwischt.«
Verinnia betrachtete den Schnitt in seinem Hemd
stirnrunzelnd.
»Und warum ist Euer … warum ist dein Hemd dann voller
Blut?«, fragte sie.
Andrej zog es vor, nicht darauf zu antworten.
»Also, Verinnia«, sagte er, »was ist passiert?«
Verinnia kam nicht dazu, zu antworten. Aus der Richtung, in
die ihr Vater verschwunden war, erscholl ein gellender Schrei
und ein schreckliches, grauenhaftes Splittern, wie Andrej es
noch niemals zuvor im Leben gehört hatte.
Verinnia schrie auf und schlug die Hand vor den Mund. Und
auch Abu Dun und er fuhren in einer einzigen blitzartigen
Bewegung herum und zogen ihre Waffen.
»Bleib hier!«, schrie Andrej dem Mädchen zu, während er und
Abu Dun bereits losstürmten.
Die Schreie hörten auf und auch das furchtbare Geräusch, das
an das Zerbrechen eines riesigen, trockenen Astes erinnert hatte,
wiederholte sich nicht. Aber Andrej konnte die Gewalt
regelrecht spüren, die vor ihnen explodiert war. Irgendetwas
Schreckliches ging dort vor.
Sie mussten nicht sehr weit laufen. Verinnias Vater war kaum
weiter als drei oder vier Dutzend Schritte gekommen. Der Platz,
an dem ihn sein Schicksal ereilt hatte, war unübersehbar. Der
aufgeweichte Waldboden war aufgewühlt und nicht nur vom
Regen dunkel. Tief hängende Äste und Unterholz waren
geknickt und zerfetzt und bewiesen, dass der Kampf vielleicht
nur kurz, dafür aber umso erbarmungsloser gewesen war.
Von Verinnias Vater war keine Spur zu sehen. Aber der
Blutgeruch in der Luft war nun so intensiv, dass er Andrej fast
den Atem nahm.
»Da!« Abu Dun deutete auf den Stamm einer mächtigen
Eiche, unmittelbar neben dem Kampfplatz. Andrejs Blick folgte
der Geste und ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Der
Stamm war blutbesudelt und trotzdem waren die tiefen, wie von
gewaltigen Klauen in das harte Holz gerissenen Furchen in
seiner Rinde deutlich zu erkennen.
Andrej versuchte vergeblich, sich ein Tier vorzustellen, das
solche Spuren hinterlassen konnte.
Hinter ihnen war ein entsetztes Schluchzen zu hören und
Andrej fuhr herum und trat gerade den Bruchteil eines
Augenblickes zu spät zwischen Verinnia und die
unübersehbaren Spuren dessen, was ihrem Vater zugestoßen
war, um dem Kind den Anblick zu ersparen.
Das Mädchen hatte beide Hände vor den Mund geschlagen
und begann, immer heftiger zu zittern.
»Vater«, stammelte es. »Wo … wo ist mein Vater?«
Abu Dun wollte etwas sagen, doch Andrej brachte ihn mit
einer raschen Geste zum Verstummen. Sein Hals war plötzlich
wie zugeschnürt.
»Waren das die Dauga?«, fragte er leise.
Verinnia sagte nichts mehr. Sie hatte den Kampf gegen die
Tränen endgültig verloren und ihr Gesicht schimmerte nass,
doch nicht der geringste Laut kam über ihre Lippen. Sie nickte
nur.
»Dann zeig uns, was passiert ist«, sagte Andrej.
    Andrej hatte es längst aufgegeben, sich zu fragen, wie es Verinnias
Vater in seinem Zustand gelungen war, sich von seinem kleinen
Heimatdorf an der Küste bis zu der Stelle am Waldrand zu
schleppen, an der sie ihn und das Mädchen gefunden hatten. Sie
waren eine halbe Stunde in scharfem Tempo geritten, nachdem sie
Verinnias Vater, von dem sie nur noch Blutspuren gefunden hatten,
ein einfaches, symbolisches aber christliches Begräbnis bereitet
hatten. Andrej hatte ein kurzes Gebet zu einem Gott gesprochen, an
den er den Glauben auf irgendeinem der zahllosen Schlachtfelder
seiner Vergangenheit längst verloren hatte. Danach waren sie
aufgesessen und losgaloppiert. Verinnia hatte sich panisch
gesträubt, zu Abu Dun in den Sattel zu steigen, ansonsten aber kein
Wort mehr gesagt. Selbst auf Andrejs Fragen nach dem Weg hatte
sie nur mit Gesten reagiert.
    Jetzt hatten sie die Steilküste erreicht. Vor ihnen lag eine
schmale, zum Teil auf natürliche Weise entstandene, zum Teil
direkt in den Fels hineingehauene Treppe, die zu dem zwanzig
oder mehr Meter tiefer gelegenen Strand hinunterführte.
    Abu Dun war abgesessen und ließ seinen Blick abwechselnd
über den steilen Kletterpfad und Verinnias Gesicht schweifen.
Vermutlich stellte er sich die gleiche Frage wie Andrej auch.
Nämlich die, wie es ein so schwer verwundeter Mann geschafft
haben sollte, die Steigung zu erklimmen, noch dazu mit einem
Kind im Arm.
    »Ist das dort unten euer
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