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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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endlich wieder lichtete und der hämmernde Schmerz in
seiner Seite verebbte, war er nicht einmal sicher, diesen Kampf
tatsächlich gewonnen zu haben.
Abu Dun ragte schwarz und riesengroß über ihm auf.
Irgendetwas Kleines, Zappelndes an sich gepresst, das vor Angst
kreischte, dennoch aber versuchte, ihm mit scharfen
Fingernägeln das Gesicht zu zerkratzen. Der erste Laut, den
Andrej wieder durch das Hämmern seines eigenen Herzschlages
hörte, war das dunkle, gutmütig-spöttische Lachen seines
Freundes.
»Kommst du allein klar, Hexenmeister, oder soll ich dir beim
Aufstehen helfen?«
Andrej verzichtete vorsichtshalber auf eine Antwort und beließ
es bei einem wütenden Blick in Abu Duns nachtschwarzes,
breites Grinsen. Dann setzte er sich auf und sah an sich herab.
Die Wunde hatte aufgehört zu bluten, der Schmerz war
erloschen und die Haut unter dem handlangen Riss, der plötzlich
in seinem Hemd klaffte, war nun wieder unversehrt. Dennoch
musste sich Andrej widerwillig eingestehen, dass er Abu Duns
Spott verdient hatte. Es war ein Kind – so etwas hätte einfach
nicht passieren dürfen.
Noch immer schweigend stemmte er sich vollends in die Höhe
und bedeutete Abu Dun mit einer Geste, das Mädchen auf den
Boden zu setzen.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er noch einmal.
Seine Worte schienen nicht zu dem Mädchen durchzudringen.
Es zerrte und riss wie verrückt an Abu Duns Arm, um sich
loszureißen. Und schrie dabei immer und immer wieder dieses
eine unheimliche Wort: »Dauga!«
Andrej sah Abu Dun einen Moment lang nachdenklich an. Er
wusste nicht, was dieses Wort bedeutete, aber es war klar, dass
es die Angst vor seinem Freund war, die dieses Kind fast um
den Verstand brachte. Er konnte das Mädchen durchaus
verstehen. Schon unter normalen Umständen war Abu Dun eine
imposante Erscheinung: mehr als zwei Meter groß und
entsprechend breitschultrig, ein Riese mit nachtschwarzer Haut,
den er niemals anders als in einem knöchellangen, ebenfalls
schwarzen Mantel und mit einem gewaltigen Turban auf dem
Schädel gesehen hatte, der ihn noch größer und Furcht
einflößender erscheinen ließ.
In Abu Duns Muttersprache bedeutete sein Name so viel wie
»Vater des Todes«. Andrej hatte ihn niemals danach gefragt, ob
dies tatsächlich sein Name war oder er ihn sich selbst gegeben
hatte. Aber er war auch noch nie einem Menschen begegnet, zu
dem dieser Name besser zu passen schien.
»Ich glaube, sie hat Angst vor dir«, sagte er. »Lass sie los!«
Abu Dun zögerte und Andrej wandte sich mit einem
aufmunternden Lächeln an das Mädchen.
»Du wirst nicht weglaufen, wenn er dich loslässt?«,
vergewisserte er sich. »Du brauchst keine Angst vor uns zu
haben, wir helfen dir.«
Das Kind starrte ihn aus großen Augen an, die schwarz vor
Angst waren, dann schüttelte es ganz sacht den Kopf.
Andrej gab Abu Dun einen entsprechenden Wink, blieb aber
wachsam, falls das Mädchen doch noch davonlaufen sollte.
»Wie ist dein Name, Kleine?«, fragte er.
»Verinnia«, antwortete das Kind.
»Das ist ein schöner Name«, meinte Andrei und deutete erst
auf sich selbst, dann auf Abu Dun. »Ich bin Andrej und das ist
Abu Dun. Du musst dich nicht fürchten, er sieht nur so
gefährlich aus.«
Abu Dun ließ endlich die Schulter des Mädchens los. Verinnia
wich zwei, drei Schritte zurück, hielt aber dann mitten in der
Bewegung inne und blieb wieder stehen.
»Ihr … seid … keine … Dauga?«, vergewisserte es sich.
»Nein«, antwortete Andrej, »auch wenn ich nicht einmal weiß,
was das ist. Bist du vor ihnen geflohen?«
»Sie … sie haben alle getötet!«, stammelte Verinnia. Plötzlich
schimmerten Tränen in ihren Augen. Sie begann am ganzen
Leib zu zittern. »Das ganze Dorf … meine Familie … sie … sie
sind alle tot. Nur Vater und ich konnten entkommen.«
Andrej machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in der der
Verwundete davongetorkelt war. Abu Dun zog fragend die
Augenbrauen hoch, aber Andrej schüttelte hastig den Kopf. Er
wusste, dass der Mann in seinem Zustand nicht weit kommen
würde.
»War das dein Vater?«
Verinnia nickte. Sie zog lautstark die Nase hoch, ihr Blick
tastete misstrauisch über Andrejs Gesicht und blieb an seinem
zerrissenen Hemd hängen. Ihre Augen wurden groß.
»Hab ich Euch verletzt, Herr?«, fragte sie erschrocken.
»Andrej«, verbesserte sie Andrej rasch, »nicht Herr. Und nein,
du hast mich nicht verletzt.«
Er deutete auf den Riss, wo ihr Messer
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