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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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von Weißkitteln. Vermutlich ein Golfturnier.
    Dieser Arzt hieß Smatermine, und er war zu jung. Dessen war Jake sich inzwischen sicher. Zu jung.
    Der Doktor kam den Flur entlang und sah sie lächelnd an. »Ihr Sohn kommt wieder auf die Beine«, sagte er. »Das Ohr allerdings … er hat eine ziemlich böse Infektion. Es ist nicht ganz abzusehen, was mit seinem Gehör auf dieser Seite passieren wird. Vielleicht verliert er es zum Teil, vielleicht behält er es aber auch vollständig. Ich weiß, das hilft Ihnen so oder so nicht viel. Aber wir tun, was wir können. Ich würde Ihnen raten, einen Spezialisten aufzusuchen.«
    »Aber er wird wieder?«, fragte Jake.
    »Ja«, antwortete der Arzt. »Er wird wieder.«
    Billie begann zu weinen.

Kapitel 3
    Harry fand das Ganze eigentlich gar nicht so schlimm, abgesehen von dieser blöden Geschichte mit dem rechten Ohr, auf dem er nichts hörte . Er durfte ein paar Wochen in der ersten Klasse fehlen, mit einigen Kissen im Rücken im Bett liegen und fernschauen. Er fand ein Programm, das alte Filme zeigte, und die gefielen ihm irgendwie.
    Eines Tages setzte sich seine Mutter zu ihm ans Bett und sagte in sein gesundes linkes Ohr: »Weißt du was, es gibt auch neuere Sendungen. Die hier waren schon veraltet, als dein Daddy und ich geheiratet haben, mein Schatz. Das sind die Dinosaurier des Fernsehens.«
    »Ich mag die aber«, antwortete Harry. »Ich mag Tarzan.«
    »Es gibt viele verschiedene Tarzans, nicht nur diesen einen. Einige sind sogar in Farbe.«
    »Mir gefällt der hier.«
    »Na schön«, sagte seine Mutter, stand auf und ging zur Tür. »Ich mach dir was zu essen.«
    Sobald sie draußen war, wandte Harry sich wieder Johnny Weissmüller zu, der sich an einer Liane von Baum zu Baum schwang. Er meinte, eine Art Stange zu sehen, an der Tarzan hing, und das kam ihm komisch vor. Gab es so was im Dschungel? Lianen mit Stangen, an denen man sich festhalten konnte?
    Er musste sich leicht schräg aufsetzen, damit sein linkes Auge und Ohr dem Fernseher zugewandt waren. Wenn er den Kopf zu weit herumdrehte, klang der Ton eigenartig. Vorsichtig tippte er sich gegen das rechte Ohr. Er hörte nichts, spürte lediglich die Erschütterung. Das Ohr selbst fühlte sich seltsam an, als hätte ihm jemand ein Ei hineingestopft.
    Er tippte noch einmal dagegen, ein wenig stärker. Diesmal gab es eine regelrechte Explosion. Von tief drinnen brach sie hervor, und mit ihr flutete ein Strom warmen Eiters wie Wasser bei einem Dammbruch heraus. Er spritzte Harry auf die Wange und auf das Kopfkissen, ein grüner, feuchter Batzen.
    Harry stieß einen Schrei aus.
    In der Küche schepperten Töpfe, und seine Mutter kam herbeigelaufen.
    »Hm«, machte der Arzt.
    Es war nicht der Arzt aus dem Krankenhaus, sondern ein Hals-Nasen-Ohren-Fritze namens Mishman. Er war um die vierzig, und man sah ihm jedes einzelne Jahr an, plus ein paar Jahre obendrauf. Seine Augenbrauen wucherten wild in alle Richtungen, wie die Fühler eines Insekts. Die Wilkes gingen regelmäßig zu ihm, seit sie Harry in die Notaufnahme gebracht hatten.
    Harry hockte auf dem Untersuchungstisch, ließ die Beine über die Kante baumeln und die Turnschuhe hin und her schwingen, während der Arzt mit einer kleinen Lampe vorsichtig das Innere seines Ohrs untersuchte.
    Billie und Jake standen neben dem Tisch, und Billie hielt Harry sanft am Oberarm.
    »Also«, fragte Jake, »ist er gesund?«
    »Na ja, es könnten immer noch Probleme auftreten«, antwortete der Arzt. »Bei solchen Sachen weiß man nie genau. Aber er kann wieder hören. Der Mumps hat sein Gehör beeinträchtigt, und er hatte diese Eiterbeule im Ohr. Ich muss zugeben, dass ich die nicht gesehen habe. Eigentlich habe ich gründlich nachgeschaut, aber nichts entdeckt, um ehrlich zu sein. Sie muss hinter dem Gehörgang gelegen haben. Es gab nicht mal eine Schwellung; jedenfalls nicht, als ich ihn das letzte Mal untersucht habe. Aber ganz offensichtlich ist die Beule angeschwollen, während er zu Hause war. Und jetzt ist sie geplatzt. Durch die Entzündung war sie prall gefüllt, und als er das Ohr berührt hat, war sie reif. Er hat sich selbst geheilt.«
    Mishman verstummte und betrachtete den Jungen einen Augenblick lang.
    »Stimmt was nicht, Doktor?«, fragte Jake. »Sie wirken zerstreut.«
    Mishman schüttelte den Kopf. »Nein, bloß … an dieser Geschichte ist irgendetwas merkwürdig. So was ist mir noch nie untergekommen. Das Ganze ist keine große Sache, nichts Aufsehenerregendes
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