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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Autoren: Stephan Russbült
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diese Männer gänzlich nackt waren. Lediglich ihre Waffen hatten sie weiterhin angelegt, was die Krieger in seinen Augen jedoch schon fast wieder angezogen erscheinen ließ.
    Rutroks Hand schmerzte grauenvoll. Trotz der abgetrennten Finger ballte er sie zur Faust, um die Blutung zu stillen. Schmerzverzerrt sah er auf die blutigen Stümpfe seiner grünschwarzen Finger. Wer wusste, wie lange er schon hier lag und wie viel Blut er schon verloren hatte. Die fremdartigen Krieger hatten ihn unweit von ihrem Lagerfeuer abgelegt. Anscheinend hatten sie keine Angst vor ihm, denn er spürte seinen Dolch, der hinten in seinem Hosenbund steckte. Und seine Hände und Füße waren nicht gefesselt.
    Rutrok dachte über seine Möglichkeiten nach. Die massigen Krieger anzugreifen wäre selbst dann Selbstmord gewesen, wenn er unverletzt und in Besitz seiner Geierklinge gewesen wäre. Er konnte versuchen zu flüchten, aber die Gefahr, dass die fremden Männer ihn einholten oder ihn mit ihren Armbrüsten niederschossen, war zu groß. Außerdem war Flucht etwas für Feiglinge und Goblins. Nein, er würde seinen Plan einfach weiterverfolgen. Er musste nur die Taktik ändern.
    Also schloss er wieder die Augen, warf seinen Kopf wie im Fieberwahn hin und her und begann, zaghaft zu stöhnen. Doch Rutrok musste feststellen, dass die Fürsorge der Krieger für ihren Gefangenen ganz zu ihrem bisherigen sorglosen Vorgehen passte; sie nahmen keine Notiz von dem Ork. Rutrok intensivierte sein vorgespieltes Leiden.
    »Hey, dein Ok ist wach!«, rief einer der Krieger.
    »Das ist nicht meiner. Und es heißt Ork«, bekam dieser zur Antwort.
    Rutroks Plan schien aufzugehen. Sie hatten Notiz von ihm genommen und ihn nicht gleich wieder geschlagen. Mehr konnte man für den Augenblick nicht erwarten.
    »Frag ihn!«, befahl jemand.
    Rutrok blinzelte unter seinen Augenlidern hindurch. Einer der Krieger hatte sich vom Lagerfeuer erhoben und wankte auf ihn zu. Breitbeinig baute er sich vor dem Ork auf. Rutrok starrte genau auf dessen Männlichkeit und musste feststellen, dass nicht nur ihre Waffen größer waren als seine.
    »Ich glaube, er ist wach.«
    »Frag ihn endlich!«
    Der Krieger beugte sich zu ihm hinunter. »Kennst du den Oger, der die Klinge Nassfals trägt? Er lebt auf den Gipfeln dieser Berge.« Der Krieger sprach langsam und zog die einzelnen Worte weit in die Länge.
    Rutrok gefiel die Vorstellung, dass die Krieger dachten, er sei ein wenig minderbemittelt. Das würde seine Verhandlungen wesentlich erleichtern. Auf keinen Fall würde er ihnen einfach sagen, was sie wissen wollten. Man musste ihnen kleine Brocken hinwerfen. Sie neugierig machen und dann seine Forderungen stellen. Ja, er hatte viel gelernt von den Meistern. Er würde die Krieger noch ein wenig hinhalten, sie zappeln lassen.
    Ein hölzernes Klicken und das Geräusch einer losschnellenden Sehne rissen Rutrok aus seinen Gedanken. Der fremde Krieger vor ihm sprang mit einem zornigen Schrei auf und fuhr herum.
    »Bist du verrückt? Wenn du mich getroffen hättest.«
    Rutroks Blick fiel irritiert auf den Bolzenschaft, der aus seinem Brustkorb ragte. Er verfolgte die Flugbahn des Bolzens zurück und sah einen der Krieger hinter dem Lagerfeuer hocken, die Armbrust weiterhin auf ihn gerichtet.
    »Er hat keine Ahnung, was wir wollen. Sein Schädel gehört mir«, rief der Schütze freudig. »Ich habe ihn erlegt. Die Trophäe ist mein!«
    »Sein Schädel ist keine Trophäe. Er war kein Krieger. Das ist einfach nur einer von diesen Oks«, maulte ein anderer.
    Rutrok wusste es besser, nur blieb ihm keine Zeit, klarzustellen, dass er sehr wohl ein Krieger war. Denn seine Augen schlossen sich bereits wieder, und sein Atem verstummte. Es dauerte noch einen Moment, bis auch sein Herz aufgehört hatte zu schlagen.
    Rutrok wartete auf die Stimme Tabals, die ihn zu sich rief, um an der Tafel der Krieger Platz zu nehmen. Doch nichts von dem, was die Schamanen über den Tod erzählten, traf ein. Er sah weder seinen Schöpfer, noch wurde er geehrt mit den Waffen eines Kriegers, und er bekam auch keinen Platz an der Seite seiner Ahnen. Die letzten Stimmen, die er hörte, waren die seiner Peiniger.
    »Wir teilen uns auf. Suul wird uns sagen, wenn wir in die Nähe des Schwertes kommen.«
    »Was tust du?«
    »Auch wenn er kein Krieger war, sein Kopf gehört ...«

2
Ein Leben ohne Kinder

    Die Stadtmauer war ein ausgezeichneter Ort, um junge Efeutriebe zu pflücken. Die immergrünen Ranken hafteten mit
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