Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand
Autoren: E Kneifl
Vom Netzwerk:
alle Fremde sind. Sie laufen aneinander vorbei, ohne sich anzusehen, bereit, alles mitzumachen und allem aus dem Weg zu gehen. Einfach in Bewegung bleiben. So wie die Kugel, die rollt.“
    „Jaja, ist schon gut, Kafka, beruhig dich wieder.“
    „Rien ne va plus – nichts geht mehr!“, sage ich, als wir uns am Ende der langen Schlange vor dem Caesars Palace , der Grande Dame der Casinos in Vegas, anstellen. Der in türkises Licht getauchte Prachtbau ist von Brunnen und Skulpturen im pseudoklassizistischen Stil umgeben.
    Orlando kann es kaum erwarten, hineinzukommen.
    Als wir endlich bei den Shops im Forum angelangt sind, staune selbst ich. So eine Ladengalerie habe ich noch nirgendwo gesehen. Unter einem künstlichen Himmel, der die verschiedenen Tages- und Nachtzeiten simuliert, reiht sich ein Designertempel an den anderen.
    Orlando stürzt sofort in ein Geschäft, in dessen Auslage er Federboas und andere glamouröse Accessoires erblickt hat.
    Ich warte draußen unter dem künstlichen Sternenhimmel. Beobachte die Leute, die mit hektischen Gesichtern an mir vorbeiströmen, und staune über den ganzen Edelkitsch. An jeder Ecke finden sich Anklänge an das antike Rom und an das Florenz der Renaissance.
    Als Orlando nach zwanzig Minuten nicht zurück ist, werde ich ungeduldig. Ich sehne mich nach einem anständigen Kaffee. Außerdem ist die Luft hier drinnen, trotz oder wegen der Klimaanlage, furchtbar schlecht.
    Ich beschließe gerade, ihn notfalls mit Gewalt aus dem Laden zu zerren, da erscheint er, von einem Ohr zum anderen grinsend, mit einem großen Papiersack in der Tür. Ruft dem offensichtlich ebenfalls schwulen Verkäufer ein völlig unangebrachtes „Tschüss“ zu und verschwindet in dem benachbarten Kosmetikshop.
    Ich folge ihm und schnappe ihn mir, bevor ihn die Verkäuferinnen in die Finger kriegen.
    „Es reicht! Oder willst du, dass sie deine Bankomatkarte gleich nach dem ersten Tag in den USA sperren?“
    „Ich hab mir vor unserer Abreise die da besorgt.“ Stolz fächelt er mit einer Kreditkarte vor meiner Nase herum.
    „Du bist nicht mehr zu retten. Ich frage mich, wie du da rangekommen bist. Dein Konto ist doch heillos überzogen.“
    Wir trinken einen Espresso in einer der italienischen Bars auf der Shopping-Meile. Er schmeckt fast so gut wie in Italien.
    „Und jetzt wird gespielt!“, sagt Orlando.
    „Das meinst du nicht im Ernst!“
    „Ich will endlich die Luft der großen weiten Welt schnuppern.“
    Die Enttäuschung folgt auf dem Fuß. Im ersten riesengroßen Raum stehen hunderte Slotmaschinen. Es ist sehr dunkel und ziemlich laut. Gleich neben dem Spielbereich befinden sich Self-Service-Restaurants.
    „Ist das hier das Flair der großen weiten Welt?“, frage ich spöttisch.
    Orlando setzt sich dennoch vor einen Spielautomaten und lässt sich von der herbeieilenden Kellnerin ein Gratis-Coke reichen.
    „Wenn du da auch nur einen halben Dollar hineinwirfst, bin ich weg“, drohe ich ihm.
    „Sei nicht so spießig. Ich will ausprobieren, wie man sich dabei fühlt.“
    „Beim Verlieren? Beschissen! Glaub mir. Schau dir die Leute hier an. Ihre Gesichter sind entweder verzweifelt oder versteinert. Und in ihren Augen brennt die Gier des Spielers. Aber bitte lass dich nicht aufhalten. Ich werde dir allerdings nicht dabei zusehen, wie du dich ruinierst.“
    „Sei nicht so melodramatisch. Ich bin keine Spielernatur. Ich riskiere höchstens ein paar Dollar. Wenn ich sie verliere, mache ich Schluss. Großes Indianerehrenwort!“
    „Hör auf mit diesem Karl-May-Quatsch. Ich gehe jetzt ins Hotel und hau mich aufs Ohr.“
    „Nein, Kafka, bitte bleib. Wir wollten uns doch heute eine Show ansehen. Du hast es versprochen.“
    „Wann soll ich was versprochen haben?“
    „Im Flieger hast du gesagt, dass du mit mir eine der berühmten Dragshows besuchen wirst, falls du den Flug überleben solltest.“
    „Da muss ich ziemlich blau gewesen sein, kann mich nicht mehr daran erinnern. Aber von mir aus. Show oder Spielen?“
    „Erpresserin!“
    Er hat kapiert, dass ich es ernst meine. Folgt mir durch die anderen, mit viel Gold und Marmor ausgestatteten Säle, in denen Roulette, Black Jack, Poker und Ähnliches gespielt wird.
    Ich bin überrascht, dass fast alle Casinobesucher schlecht gekleidet sind. Bei uns lassen sie Männer in Jeans und ohne Krawatte gar nicht erst in ein Casino hinein. Hier laufen die meisten Menschen in Freizeitkleidung herum: Trainingsanzüge und Turnschuhe, kurze Hosen, viel zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher