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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand
Autoren: E Kneifl
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nicht schlafen!“, sagt Orlando vorwurfsvoll, als er nach einer drei viertel Stunde perfekt gestylt aus dem Bad kommt und mich angezogen auf dem Bett liegend vorfindet.
    „Ich bin total fertig. Ich muss ein paar Stunden schlafen. Wenn ich morgen in der Früh Detective Hunter besuche, möchte ich einen klaren Kopf haben.“
    „Komm, Kafka, sei nicht so eine Spielverderberin. Wenn wir schon mal hier sind, werden wir uns wohl auch ein bisschen amüsieren.“
    „Haben wir nicht abgemacht, dass dies keine Vergnügungsreise werden soll, sondern wir hier sind, um die Mörder meiner Eltern zu überführen?“
    „Deswegen können wir uns die Stadt ja trotzdem ansehen. Ich steh auf Casinos, auf diesen ganz besonderen Kick, den man dort kriegt. Bitte Kafka!“
    Er blickt mich mit seinen stark geschminkten Augen so flehend an, dass ich fast geneigt bin, nachzugeben.
    „Du wirst eine frustrierte alte Zicke werden, wenn du so weitermachst.“
    Diesen Satz hätte er besser nicht gesagt. Ich ziehe meine Schuhe aus, schnappe mir den Polster von seinem Bett, lege meine Füße drauf und schalte den Fernsehapparat ein.
    „Spinnst du jetzt komplett? Du kannst nicht deine erste Nacht in Las Vegas vor dem Fernseher verbringen!“
    „Das kann ich sehr wohl! Warum gehst du nicht allein weg? Du wirst bestimmt schnell Gesellschaft finden. So hübsch wie du aussiehst, wird dir kein Mann widerstehen können.“
    Bis vor einem drei viertel Jahr ist Orlando als Kopie der österreichischen Kaiserin Sisi herumgelaufen. Seit letztem Sommer trägt er moderne Frauenkleidung und bildet sich ein, wie die berühmte, viel zu jung verstorbene Schauspielerin Romy Schneider auszusehen, die die Kaiserin in den Sisi-Filmen verkörpert hat. Ich bin heilfroh über seine Entscheidung, habe ich mich doch manchmal für ihn geniert, wenn er in seinen wallenden Kleidern und seiner Langhaarperücke nachts durch die Lokale von Wien-Margareten gezogen ist.
    „Du stehst jetzt sofort auf und ziehst dich um, Kafka!“
    Ich habe den Nachrichtensender MSNBC eingeschaltet.
    „Sei still, ich will die Nachrichten hören …“
    Wortlos öffnet er die Minibar und reicht mir ein Döschen Bier.
    „Trink das. Hilft gegen den Kater. Und dann gehen wir essen. Du hast seit fast zwanzig Stunden nichts gegessen. Das Curry-Hühnchen, das sie uns im Flieger serviert haben, hast du ja verschlafen.“
    Sein energischer Ton erinnert mich an meine Mutter. Auch sie hatte oft mit mir geschimpft, wenn ich mich geweigert hatte zu essen, was auf den Tisch kam.
    Ich sehne mich nach einer Zigarette.
    Orlando scheint meine Gedanken lesen zu können. „In den Casinos darf man übrigens rauchen“, sagt er, der normalerweise ausrastet, wenn ich mir eine anzünde.
    „1 : 0 für dich.“ Grinsend springe ich vom Bett, gehe duschen und ziehe mich in Windeseile an.
    Das reichhaltige Frühstücksbuffet in unserem Hotel ist ganz nach meinem Geschmack. Obwohl es in Las Vegas bereits Abend wird, lade ich Eier mit Speck und Bohnen auf meinen Teller.
    „Im Pink Flamingo kann man den ganzen Tag um zwei Dollar frühstücken. Super!“ Orlando strahlt mich an. Als Vegetarier begnügt er sich mit einem Müsli und ein paar exotischen Früchten.
    Leider ist der Kaffee oder das, was sie hier so nennen, eine Katastrophe. Trotzdem trinke ich einen halben Liter von dem heißen Wasser mit Kaffeegeschmack.
    Wir bummeln zu Fuß den Strip entlang. Von Bummeln kann eigentlich keine Rede sein, wir werden von den Menschenmassen von einem Casino zum nächsten geschoben. Trotz der riesigen grellen Leuchtreklamen sehe ich funkelnde Sterne am Himmel.
    „Die Sterne kommen mir näher vor als bei uns.“
    „Das sind Lichter von Hubschraubern“, sagt Orlando lachend. „Sie setzen die Global Player direkt auf den Dächern der Casinos ab.“
    „Idiot. Global Player sind internationale Konzerne, die im Zuge der Globalisierung weltweit agieren, und keine spielsüchtigen Multimillionäre …“
    „Ist doch scheißegal. Wollte dir nur klarmachen, dass du keine Sterne, sondern Hubschrauberlichter am Firmament siehst.“
    Ich fühle mich ein bisschen wackelig auf den Beinen und hänge mich bei Orlando ein.
    „Ist dir aufgefallen, dass einem hier keiner in die Augen sieht? Alle starren wie hypnotisiert auf die glitzernden Werbetafeln und die flimmernden Screens.“
    „Hey, wir sind in Las Vegas! Ich glaub, du bist noch nicht wirklich angekommen.“
    „Ich weiß sehr wohl, wo wir sind. In einer Stadt, in der die Menschen
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