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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition)
Autoren: Simon Pflock
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schmutzig graue Mauer der Terrasse. Joel wusste, dass die Löwen diesen Sprung sehr wohl machen könnten, wenn sie erst einmal auf der Tierparkmauer wären. Denn zwei Meter weit und zwei Meter hoch war für diese Großkatzen kein Problem. Er fröstelte etwas, als er erneut den abgelaufenen Wassergraben ansah und die Planierraupe darin.
    Dann dachte er unvermittelt an seinen Vater und stellte sich vor, wie Vater dort oben auf der Hochterrasse herumsprang und auch dieser Typ aus der Hundekampfszene in Gehrsdorf. Die Löwen erst unten – dann oben, und wie sie die beiden Drecksäcke in die Mangel nehmen würden. Joel atmete durch. Warum verfügte er nicht über die Kräfte eines Löwen? Dann wäre er seine Probleme wohl endgültig los.     
    „Hey, was ist denn?“, fragte Tony. Offenbar hatte er gemerkt, dass Joel nicht mehr ganz da gewesen war.
    Joel war es unangenehm, dass Tony ihn schon wieder in seinem Schmerz erwischt hatte, obwohl es niemanden gab, zu dem er sonst hätte gehen können, wenn es ihm schlecht ging. Er musste irgendetwas Ablenkendes sagen. „Wie reinigst du den Innenkäfig zurzeit?“     
    „Gar nicht.“   
    „Was?“ Joel ballte die Fäuste. In Gedanken sah er die Löwen im eigenen Dreck liegen, sah sie auf dem ungestreuten Kachelboden im Urin ausrutschen.
    „Wie soll ich denn das machen?“ Tony zog entschuldigend die Schultern hoch. „Ich darf sie derzeit nicht rauslassen und einen zweiten Innenkäfig gibt es in diesem Provisorium von einem Tiergehege auch nicht, wie du weißt.“   
    Joel schüttelte den Kopf. Sogar in der eigenen Scheiße zu sitzen war diesen Tieren auferlegt. „Hoffen wir bloß, dass sie mit den Reparaturarbeiten bald fertig werden.“    
    Joel schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. „Ich muss los!“
    Tony lächelte.
    Joel sah ihm an, dass er Bescheid wusste, was er nun zu tun gedachte.
    Und er musste sich beeilen.

3
     
    Joel legte an und fixierte das Ziel durch das Fernrohr.
    Plötzlich entwich eine Schweißperle durch seine Augenbraue und meldete sich brennend in dem Auge, mit dem er zielte. Er ließ die Zielfixierung sein, fuhr mit dem Zeigefinger hinter das Brillenglas und rieb sein Auge. Dann kniff er das linke zusammen und sah mit dem rechten wieder durch das Zielfernrohr.
    Stille.
    Nur das Summen einer Fliege drang an sein Ohr.
    Joel spürte die warme, nach frisch gemähtem Heu duftende Spätsommerluft auf der Haut und verharrte wie eine Statue, während er das Ziel weiter ins Visier nahm. Ein laues Lüftchen kühlte gerade seine Stirn. Sein Finger legte sich langsam um den Abzug. Gleich würde er abdrücken …
    Doch dann setzte er erneut ab.
    Joel wurde klar, dass ihm der Schmerz mehr im Gemüt lag, als er gedacht hatte. Er musste an Vater denken, gedachte auch der Worte, die Tony ihm gesagt hatte – und es wurde deutlich, dass er sich deswegen kaum konzentrieren konnte.
    „Was ist los, Kramer?“, sagte ein schlanker, hochgewachsener Mann mit silbergrauen Haaren.  
    Joel verharrte auf dem Schießstand des Schützenvereins Hohnhorst. Es war einer der Vereine in Gehrsdorf, in dem auch mit Armbrüsten geschossen wurde. Joel hielt eine Hightech-Hochleistungs-Compound-Armbrust mit einem Gewicht von gut 3 Kilogramm und einem Auszugsgewicht von 74 Kilogramm in den Händen. Das Zielfernrohr war wie die Waffe selbst eine Neuentwicklung. Ein Excalibur Drop Zone Multiplex Scope, das im Gegensatz zu den früheren Buckmaster-Modellen ein ausgezeichnetes Dämmerungsverhalten aufwies. Joel wünschte sich, die Waffe gehöre ihm – doch dieses nicht ganz billige Modell war Eigentum des Vereins.
    Er justierte den Blick durch das Fernrohr.
    95 Meter, ungefähr die Länge eines Fußballfelds, war die 40-Zentimeter-Fita-Scheibe entfernt, die man mit bloßem Auge nur noch als einen winzigen Fleck in der Ferne sehen konnte.
    Dann zog er durch.
    Der gut 50 Zentimeter lange Pfeil raste mit einer abartigen Geschwindigkeit von etwa 94 Metern in der Sekunde los. Er war also binnen eines Augenblicks am Ziel, und im Fall Joels hieß das: im Schwarzen.
    Die anderen Vereinsmitglieder, die bis eben noch gebannt ausgeharrt hatten, klatschten.
    „Nicht schlecht, Kramer“, sagte der Mann mit den silbernen Haaren. „Du bist zweifellos unser bester Schütze. Und das schon mit 19 Jahren! Wir sollten dich im nächsten Jahr zur Jugendmeisterschaft nach Hannover schicken.“    
    Joel war zufrieden und legte die Armbrust ab. Diese neuen Waffen waren einfach
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