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Blutige Verfuehrung 1

Blutige Verfuehrung 1

Titel: Blutige Verfuehrung 1
Autoren: Ina Cult
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heute? Warum hast Du ihn mir nicht längst gegeben?" Dann werfe ich mich mit dem Brief auf die Couch. Ich drehe mich auf den Bauch, um meine Großmutter nicht länger ansehen zu müssen und halte das Papier mit ausgestreckten Armen vor mich. Dann lese ich den Text immer und immer wieder. Ich weine nur selten, aber jetzt laufen mir Tränen über das Gesicht, ich kann es einfach nicht fassen, dass man mir diesen Brief so lange vorenthalten hat. Meine Großmutter streicht mir mit der Hand vorsichtig über das Haar. Doch ich drehe mich zornig nach ihr um und schlage ihre Hand weg.
    "Lass mich bloß in Ruhe, du falsche Hexe!", brülle ich und meine Stimme überschlägt sich.
    "Lucy!", ruft Großmutter entsetzt.
    "Ich war immer für dich da!"
    "Was du nicht sagst, du verlogenes Stück!"
    Meine Großmutter lässt sich entmutigt auf einen Stuhl fallen. Ihr Gesicht ist noch grauer als sonst. Sie hält die Hände vors Gesicht und weint.
    "Was haben sie dir nur angetan?", schluchzt sie.
    "Du hast mich all die Jahre angelogen und mir das hier verheimlicht! Ich hätte ein ganz anderes Leben führen können, und Du hast es verhindert."
    Ich halte ihr das Schreiben und das Sparbuch unter die Nase.
    "Was hast Du mir nur für alberne Geschichten aufgetischt. Ich sei ein Waisenkind. Meine armen Eltern sind schon lange tot. Und was steht hier?"
    "Sie haben es so gewollt.", sagt sie mit leiser Stimme.
    "Ist es dir in all den Jahren nicht gut gegangen?"
    "Du weißt doch nicht was du sagst! Jetzt, wo ich endlich die Wahrheit erfahre, werde ich das hier alles hinter mir lassen und vor allem dich nie mehr wiedersehen!"
    Meine Großmutter bricht in lautes Weinen aus. Sie sinkt in sich zusammen und schlägt sich mit den Händen auf die Brust.
    "Es ist nicht meine Schuld, dass du erst jetzt erfährst, wer du wirklich bist."
    "Du hast diesen Brief die ganze Zeit vor mir versteckt und mich behandelt wie ein kleines Kind, damit ich nur von dir abhängig bin. Jahrelang hast du mir jeden Pfennig vorgerechnet, den ich ausgegeben habe. Dabei bin ich reich! Das werde ich dir nie verzeihen. Ich packe jetzt meine Sachen."
    Ich stehe auf und gehe mit großen Schritten zur Türe, knalle sie hinter sich zu und springe in großen Sätzen die knarrende Holztreppe hinauf. Mein kleines Reich unterm Dach kommt mir plötzlich völlig unpassend vor. Kindische Bettwäsche, rosafarbene Vorhänge. Wie wenn ich es nicht schon immer gefühlt hätte, dass ich hier falsch war! Der ganze wertlose Nippes, den Großmutter für mich gekauft und angehäuft hatte, glotzte mich herausfordernd an. Am liebsten hätte ich das Zeug aus dem Fenster geworfen. Doch das konnte mir jetzt egal sein. Die Wut, die noch immer in mir tobte, tat richtig weh. Ich musste nach Luft schnappen. Ich wusste jetzt wer ich war und nun würde ein anderes Leben beginnen. Mit zittrigen Fingern tippe ich Mareikes Nummer ins Handy. Sie ist jetzt meine letzte Hoffnung "Hallo Mareike!"
    "Hallo Lucy-Ferry, wie geht’s?"
    "Es ging mir nie besser."
    "Toll, und wie muss ich das verstehen?"
    "Kann ich für ein paar Nächte zu euch in die WG ziehen?"
    "Mein Sofa steht Dir zur Verfügung!"
    "Gut, ich packe nur ein paar Sachen, dann komme ich."
    Ich gehe an meinen Kleiderschrank und krame ein paar Hosen und T-Shirts heraus und nehme aus dem Schubladenschrank meine Unterwäsche. Dann stopfe ich alles in einen Matchsack, der in der Ecke steht. Meinen Laptop packe ich in einen Karton und leere meine Schreibtischschublade einfach hinein. Viel mehr Dinge brauche ich nicht. Ich drehe mich noch einmal im Kreis und schaue mir das Zimmer an, in dem ich nun 21 Jahre meines Lebens verbracht hatte. Das Sparbuch und den Brief stecke ich in die Innentasche meiner Jacke. Dann sage ich leise und gedehnt: Lucia-Ferite di Gradara. Das ist mein Name und nicht Lucy-Ferry Berger. Im nächsten Moment poltere ich wieder die Treppe hinunter. Ich verlasse die Wohnung, ohne mich noch mal nach meiner Großmutter umzudrehen, die mir zitternd ins Treppenhaus nachläuft und sich noch immer ein Taschentuch vors Gesicht hält.
    Mit meinem Karton unterm Arm und dem sperrigen Matchsack auf dem Rücken renne ich in den nächsten U-Bahn Eingang am Marienplatz. Ich bin noch immer furchtbar wütend und aufgeregt. Ich haste die steile Rolltreppe hinunter und übersehe dabei fast einen Mann, der hinter mir her schimpft. Ich höre nur noch einen Wortfetzen "…schlampe". Beinahe wäre ich noch einmal umgekehrt, um diesem Typen eine zu verpassen, aber ich
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