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Blutige Rosen

Blutige Rosen

Titel: Blutige Rosen
Autoren: Jason Dark
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ruhig dagelegen, bewegte sich. Das Papier wurde nach oben gedrückt, dann wieder nach unten, als würde jemand Atem holen.
    Etwa die Rosen?
    Auch die oberste lag nicht mehr ruhig. Sie bewegte sich ebenfalls. Ihre voll erblühte Knospe drehte sich einmal nach links, dann wieder nach rechts, und ich merkte plötzlich den betäubenden Duft, der das Innere das Bentley schwängerte.
    So angenehm Rosen riechen, so unangenehm kann ihr Duft werden, wenn sie schon älter sind und zu faulen beginnen. Diese Rosen stanken nach Friedhof, nach Moder und Leichengeruch!
    Mir war klar, dass ich nicht mehr weiterfahren konnte. Blinker betätigen, Blick in den Innen-und Außenspiegel, andere Wagen fuhren nicht zu dicht auf, so dass ich es riskieren konnte, den linken Fahrbahnrand anzusteuern.
    Wiederum stoppte ich. Diesmal stieg ich nicht aus. Die Rosen konnte ich mir auch im Wageninnern ansehen.
    Ich legte die letzte Rose vorsichtig zur Seite und vernahm abermals die leisen, verwehenden Schreie, die mir vorkamen wie der Klagegesang von Toten.
    Mit spitzen Fingern umfasste ich das Papier, um es auseinander zu falten. Diesen Blumenstrauß wollte ich mir wirklich genau ansehen. Damit musste es eine schaurige Bewandtnis haben. Ich schaute auf den Strauß.
    Die Schreie wurden deutlicher. Ich erkannte jetzt, wer sie ausgestoßen hatte und konnte nicht vermeiden, dass mir ein »Mein Gott« entfuhr. Die Rosen hatten nichts von ihrer makabren Pracht verloren. Sie waren sogar noch schauriger geworden. Dort, wo normalerweise die Blüten saßen, befand sich etwas anderes.
    Die Rosen hatten sich verwandelt. Aus den Blüten waren kleine Köpfe geworden!
    ***
    Lilian Day hastete durch die Nacht. Ihr braunes Haar klebte aneinander. Die in der Luft liegende Feuchtigkeit wirkte wie Leim. Der Nylonmantel lag eng um ihren Körper, weil sie ihn zusätzlich über der Brust zusammengerafft hatte. Ihre Füße bewegten sich automatisch voran. Sie platschten in die Pfützen, das Wasser spritzte hoch auf und nässte die Jeans. Das war Lilian egal, sie wollte nur so schnell wie möglich weg, denn was sie gesehen hatte, mussten die anderen wissen. Aber hatte man sie nicht entdeckt? Das war die große Frage. Lilian war sich nicht sicher, sie ärgerte sich über ihre Unvorsichtigkeit, denn sie würde den Blick des Mannes nicht vergessen, der sie getroffen hatte. Obwohl sich zwischen ihr und dem Mann noch das Kellerfenster befunden hatte, war sie gesehen worden. Sie hatte den Mann bei einer schaurigen Tätigkeit gestört und hatte auch die seltsame Frau gesehen, die sich im Hintergrund des Kellers aufhielt.
    Eine schöne Frau, aber mit kalten Augen und einem grausam verzogenen Mund.
    Rosen hatten dort gelegen. Blumen, die Menschen waren!
    In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Lilian war mit ihren Nerven so ziemlich am Ende. Menschen und Blumen - Tote und Rosen, ein völliges Durcheinander. Auf jeden Fall musste sie die anderen davon in Kenntnis setzen.
    Die anderen!
    Als sie daran dachte, umspielte trotz ihrer Angst ein flüchtiges Lächeln die roten Lippen. Die anderen, das war ihr Schutz, das war ihre Heimat. Sie sorgten dafür, dass sie ihr schlechtes Elternhaus vergaß, dass sie sich bei den gleichaltrigen Jungen und Mädchen wie zu Hause fühlte. Noch gehörte sie nicht hundertprozentig zu ihnen, aber es würde nicht mehr lange dauern, da nahm man sie in den Kreis der Weißen Engel auf. Und nichts anderes wollte sie. Sie musste einfach zu ihnen gehören, denn bei ihnen fand sie das, was das Elternhaus ihr nicht gab. Geborgenheit.
    Bei den Weißen Engeln konnte sich jeder auf den anderen verlassen. Da spielte niemand falsch, da gab es keine Lüge, keine Hinterlist, sondern Ehrlichkeit. Nur dadurch hatten sie so große Erfolge erzielen können. Es gab zahlreiche junge Leute, die durch die Hilfe der Weißen Engel wieder auf die Beine gekommen waren, und manchen Dealer, der die Engel verfluchte bis in die tiefste Hölle.
    Lilian Day lief langsamer. Sie konnte nicht mehr so schnell rennen, denn sie hätte sonst zuviel Kraft verloren und wäre irgendwann gestolpert und gefallen. So sah es aus.
    Schwer atmete sie ein und aus. Sie hielt sich dicht an den Hauswänden, manchmal stützte sie sich an den rauhen Steinen ab, oder sie blieb stehen und holte tief Luft.
    Sie schaute zurück. Leer lag die Straße hinter ihr. Eine schmale lange Fläche, auf der das Kopfsteinpflaster wie Gold glänzte, wenn es vom Licht der vereinzelt stehenden Laternen berührt wurde.
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