Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
Vom Netzwerk:
verteidigte. Noch war der Boden gefroren, und sie gelangte trockenen Fußes bis zum Treppenaufgang. Das dreistöckige Wohnhaus mit dem turmartigen Anbau im Westen war von ihrem Großvater errichtet worden, dem ersten Freiherrn zu Kraiberg. Er hatte aus dem schlichten Gutshaus ein herrschaftliches Anwesen mit architektonischen Finessen gemacht, doch geblieben war davon nur noch ein schaler Rest. Die steinerne Kugel auf dem Geländerabsatz bröckelte, Treppenstufen und Platten auf der ersten Terrasse zeigten Witterungsschäden.
    Bevor sie durch die angelehnte Flügeltür trat, nahm sie die Schultern zurück und zupfte an Umhang und Überrock. Es war unsinnig, nervös zu sein, immerhin war sie eine ehrbare Witwe, die das Schicksal zurück in das Elternhaus gebracht hatte. Doch sie brauchte nur an Eugenia, Albrechts Frau, zu denken, schon fühlte sie sich wie ein unerwünschter Gast.
    Die Eingangshalle war mit Jagdtrophäen geschmückt. In ihrer Erinnerung hatte es auch Wandteppiche mit mythologischen Szenen gegeben, doch die schien ihr in diesem Haus öfters Streiche zu spielen.
    Eine Tür schlug zu, und Geschirr klapperte. Ursel, Eugenias Kammerfrau, kam mit sauertöpfischer Miene die Treppen herunter. Auf ihrem Tablett standen ein Wasserkrug und der mit einem Tuch abgedeckte Topf mit Kammerlauge. »Guten Morgen, Hochwohlgeboren«, sagte Ursel knapp.
    »Gott zum Gruße, Ursel. Ist Herr Albrecht schon auf?«, fragte Marie und löste die Bänder ihres Umhangs.
    Ursel rümpfte die lange Nase, die ihrem schmalen Gesicht den Ausdruck eines Sumpfhuhns verlieh. Über dem hochgeschlossenen schwarzen Kleid trug sie eine lange weiße Schürze, und die Haare waren unter einem Häubchen festgesteckt. Sie hatte ihr Äußeres dem strengen und frömmlerischen Gebaren ihrer Herrin angepasst. »Ich kann Euch nicht sagen, ob der Herr schon auf ist, weil ich nicht weiß, ob er überhaupt im Haus ist. Gibt es sonst noch etwas, oder darf ich meinen Pflichten nachgehen?«
    Marie überhörte den frechen Tonfall der Dienerin und winkte sie vorbei. Aras hob die Nase. Aus der Küche duftete es nach Eiern und Brot. Auch ihr Magen meldete sich, und Marie nahm den Umhang über den Arm und folgte den verlockenden Gerüchen. Vor der Küche traf sie auf Vroni, eine hübsche junge Dienerin, die Albrecht ihr als Kammerfrau zugewiesen hatte.
    Vroni errötete, machte einen tiefen Hofknicks oder das, was sie dafür hielt, und lächelte. Das offene Lächeln schätzte Marie an dem jungen Mädchen am meisten und ließ sie über ihre Unzulänglichkeiten als Dienerin hinwegsehen.
    »Werte Frau von Langenau, guten Morgen, wünscht Ihr ein Frühstück? Es gibt gebratene Eier, Hafergrütze und Honig.« Für die Dienerschaft gab es Honig nur selten, doch Vroni leckte sich die Lippen, und Marie ging davon aus, dass sie die angepriesenen Speisen selbst gekostet hatte.
    »Schon recht, Vroni, gib mir von allem ein wenig und für Aras, was die Köchin an Verschnitt hat. Ich bin in der Bibliothek.« Sie wartete, dass Vroni ihr den Umhang abnahm, doch das Mädchen, das sechzehn Jahre alt sein mochte, strahlte sie nur an und wollte in die Küche gehen. »Vroni.« Sie hielt ihr den schneenassen Umhang hin.
    »Oh, natürlich. Verzeihung. Ich bin ein dummes, nichtsnutziges …«, stotterte Vroni verlegen. Ihre Wangen glühten, und der runde Busen wogte in ihrem Mieder. Die braunen Haare lagen in geflochtenen Schnecken um ihre Ohren, und ihre ansehnliche Figur wurde von einem blauen Überkleid und einer weißen Schürze betont.
    »Ausbürsten und trocknen, mehr nicht.« Marie lächelte aufmunternd, denn Vroni schaute sie bei jedem noch so kleinen Fehler furchtsam an.
    »Ihr sagt es nicht der Herrin?«
    »Was denn? Und jetzt mach dich auf. Ich habe Hunger und Aras auch!« Nachdem Vroni davongeeilt war, wandte sich Marie der Bibliothek zu, die an das Jagdzimmer im Erdgeschoss grenzte.
    Ihre nassen Röcke streiften über den Steinfußboden des Gangs. Die Bibliothek war mit Dielen ausgelegt, und im Kamin brannte ein Feuer. Sie wollte sich eben über die ungewohnte Verschwendung von Feuerholz für einen nicht bewohnten Raum wundern, als sie ein Husten hörte. Aras knurrte nicht, sondern lief schwanzwedelnd auf einen Wandschirm zu.
    »Oheim, seid Ihr das?«, fragte Marie. Neben Vroni war Remigius von Kraiberg, der Bruder ihres verstorbenen Vaters, der einzige Mensch im Haus, den Aras freundlich begrüßte. Ein Buch fiel zu Boden, wirbelte eine Staubwolke auf und bewirkte das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher