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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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ist schlimm.«
    »Jemand muss ihm das verhexte Ding untergeschoben haben!«, stieß Anton gepresst hervor. »Niemals würde mein Sohn so teuflische Sachen tun! Niemals, dafür leg ich meine Hand ins Feuer.«
    Marie wusste, wie sehr der Aberglaube in den Leuten verwurzelt war. Wenn jemand des Stehlens bezichtigt wurde und man noch dazu ein sogenanntes Kindshändel fand – die linke Hand eines toten Kindes, auf besondere Weise präpariert und von Dieben bei sich getragen, weil ihre Zauberkraft angeblich Türen öffnete –, dann bestand kaum Hoffnung für den Ertappten. »Anton, das ist eine ernste Sache. Das musst du meinem Bruder sagen.«
    »Ich wünschte, dass sich die Sache so aus der Welt schaffen ließe. Ach, verhenkert, der Einhard steckt dahinter, und das nur, weil Paul seine Tochter nicht heiraten will.«
    »Hatte er ihr denn die Ehe versprochen?«
    »Nein! Aber Einhard wollte Paul zwingen, weil seine Tochter schweren Leibes ist.«
    »Von deinem Sohn?«
    »Nein!«, rief Anton. »Das ist ja das Hinterhältige. Sie gibt den Vater ihres ungeborenen Bastards nicht preis, aber Paul hat ihr mal schöne Augen gemacht und soll jetzt herhalten für ihre Sündhaftigkeit!«
    »Und weil Paul nicht in die Ehe einwilligen wollte, hat Einhard ihn des Stehlens beschuldigt und gleich noch ein Kindshändel als belastenden Beweis gefunden!« Marie überlegte, ob sie sich an Einhard erinnerte, konnte den Namen jedoch nicht mit einem Gesicht in Verbindung bringen. »Wer ist denn dieser Einhard?«
    »Ihm gehört der kleine Schwaighof direkt unterhalb von meinem Roggenfeld. Seine Kühe sind schon oft durch mein Getreide getrampelt! Ach, aber dass er zu so etwas Schandbarem fähig ist, hätte ich niemals für möglich gehalten.«
    »Was kann ich denn tun, Anton?«
    »Bitte, geht zum Einhard und bringt ihn dazu, dass er seine Anschuldigung zurücknimmt. Der ist ein sturer Bock! Euch aber wird er zuhören!«
    »Versprich dir nicht zu viel davon, doch versuchen werde ich es«, versprach Marie, die Mitleid mit dem geplagten Familienvater hatte.
    »Gott vergelt’s Euch.« Anton zog den Hut und ging an ihr vorbei in den Wald. Sein Haus und das Stück Land, das er bearbeitete, lagen in einer Schneise des Kraiberger Forstes.
    Nachdenklich stapfte Marie die Anhöhe hinunter. Hier lag noch vieles mehr im Argen, als auf den ersten Blick zu sehen war. Die Menschen hatten kein Vertrauen zu ihrem Bruder, und in einem solchen Klima konnte nichts Gutes entstehen.
    Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die frühen Morgenstunden für ausgedehnte Spaziergänge zu nutzen. Die Bewegung tat ihr gut, und mit Aras an ihrer Seite fürchtete sie sich nicht vor unliebsamen Begegnungen mit Wilderern oder anderem Gesindel, das sich zu jeder Jahreszeit in den Wäldern herumtrieb. Je näher sie dem Hoftor kam, desto düsterer wurde ihre Stimmung. Ein Krähenschwarm ließ sich in sicherem Abstand von ihnen auf dem Feld nieder. Aras warf ihr einen bittenden Blick zu, und sie nickte. Sofort preschte der Hund davon und machte sich einen Spaß daraus, die Krähen aufzuscheuchen. Vielleicht hatten die Krähen genauso viel Spaß daran, ihn an der Nase herumzuführen.
    Als sie das Hoftor erreicht hatte, kam Aras hechelnd wieder zu ihr. »Na, wenigstens einer von uns hat sich amüsiert«, sagte Marie und schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück. Das wärmende Kleidungsstück war aus weicher kupferfarbener Wolle und mit dunkelgrünem Samt gefüttert. Es war ein Geschenk ihres verstorbenen Mannes, und sie mochte das edle Stück trotz allem. Sie knirschte mit den Zähnen. Werno von Langenau hatte die Angewohnheit gehabt, sich eines schlechten Gewissens mit teuren Geschenken zu entledigen, und Gelegenheiten hatte es allzu viele gegeben.
    Sie trat durch das offene Tor in den Hof, der von zwei Knechten gefegt wurde. Ein kleiner Junge trieb eine Gänseschar umher, die Hühner scharrten auf dem dampfenden Misthaufen, und im Stall zu ihrer Rechten machten Schweine und das Milchvieh ihrem Unmut Luft. Eine Magd schleppte zwei volle Milcheimer heraus. Das Gesinde ging seinen Beschäftigungen nach wie jeden Tag. Einige Gesichter kamen Marie bekannt vor, die meisten allerdings waren noch nicht lange auf Gut Kraiberg. Man machte Marie Platz und nickte ihr zu, doch sie spürte ihre Ablehnung und schrieb die unterschwellige Feindseligkeit der Strenge und Unerbittlichkeit ihres Bruders zu.
    Aras ignorierte einen mageren Hofhund, der mit gefletschten Zähnen einen fauligen Knochen
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