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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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lüften können. Solltest du etwa … Dass wir das noch erleben dürfen!«
    Dann kicherte er, glücklich und aufgeregt wie ein kleiner Junge. Er benötigte ein Stück Tuch, mit dem er das Fett vom Papier wischen konnte. Sallovinus bückte sich, wobei seine Knochen knackten, und durchstöberte Kisten und Körbe nach geeignetem Material.
    Als die Tür sich in ihren Angeln drehte und danach leise ins Schloss fiel, fragte der Gelehrte, ohne sich umzusehen: »Bist du das, Ruben? Hast du etwas …«
    »Verzeiht, dass ich einfach hier eindringe. Ihr seid doch der Meister Sallovinus?«
    Erschrocken fuhr Sallovinus auf, stieß sich den Kopf an einem Balken und fand sich einem Fremden gegenüber, der durch seine Gestalt und die dunklen Haare auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit Ruben hatte, den alten Gelehrten nach einem zweiten Blick jedoch instinktiv zurückweichen ließ. Bernardus Sallovinus hatte in seinem langen Leben genug Erfahrung gesammelt, um zu erkennen, wann sich hinter einem Lächeln das Böse verbarg. Und dieses Lächeln weckte noch dazu dunkle Erinnerungen.
    »Was wollt Ihr?«
    Der Fremde sah sich in der Unordnung des Studierzimmers um, bis sein Blick auf die Kupferstiche fiel. Bernardus erkannte das gierige Aufglimmen in den Augen des ungebetenen Gastes und legte eine Hand auf die Stiche, wurde jedoch sofort grob zur Seite gestoßen.
    »Ihr wisst natürlich, worum es sich dort handelt?«
    »Diese Tischplatten da? Ach, das sind Entwürfe aus Castruccis Werkstatt. Wer seid Ihr?«
    Der Fremde warf Sallovinus einen kurzen Blick zu und starrte dann wie gebannt auf die Stiche. »Unfassbar! Alle vier! Ich habe noch nie alle vier zusammen gesehen! Deshalb bin ich hier. Ich wollte Euch nach den Tafeln fragen. Mein Gott! Wisst Ihr, wo sie sind?« Das drohende Lauern in seiner Stimme jagte Sallovinus eine Gänsehaut über den Rücken.
    »Lasst mich nach meinen Aufzeichnungen suchen.« Der gebrechliche alte Mann schob sich um den Tisch herum, hob hier und da ein Buch auf, schob Papiere hin und her, wobei er darauf achtete, dass der Brief seines alten Freundes unter einem Folianten verschwand.
    »Von wem habt Ihr diese Stiche? Ich kaufe sie Euch ab. Ein paar Gulden könntet Ihr gut gebrauchen.« Der Fremde schwenkte seinen Gürtelbeutel, in dem es verlockend klimperte, doch Sallovinus sah sehr wohl den Dolch und die Pistole des Fremden und suchte nach einem Halt, den er an einem Regal neben dem Fenster fand.
    »Es sieht ärmlicher aus, als es ist. Ich habe alles, was ich zum Leben brauche«, gab der alte Mann störrisch zurück.
    »Ts, ts, Armut hat ihren eigenen Geruch, und Ihr, mein Guter, seid ein Bedürftiger. Warum sagt Ihr mir nicht einfach, was ich wissen will, und schon habt Ihr wieder Euren Frieden.«
    »Verschwindet! Ich habe Euch nicht eingeladen!«, entfuhr es Sallovinus, und er spürte, wie ihm der Angstschweiß ausbrach. Die Stimme, das verschlagene Gebaren, woher kannte er den Kerl?
    »Nein, das stimmt wohl, aber das Schicksal hat es gut mit mir gemeint und mich just im rechten Moment zu Euch geführt.« Der sehnige Mann schlug seinen Mantel über die Schultern und legte den breitkrempigen Hut auf den Tisch.
    Sallovinus’ Atem ging stoßweise, und er spürte das Aussetzen seines Herzschlags. Nach Luft ringend taumelte er ans Fenster und rief mit ersterbender Stimme: »Ruben!«
    Der Fremde fluchte, packte Sallovinus am Arm und wollte ihn vom Fenster wegzerren, doch der alte Mann verlor den Halt, fiel nach hinten und schlug mit dem Hinterkopf an das steinerne Fenstersims. Mit offenen Augen und gebrochenem Blick kam Bernardus auf dem Boden zu liegen, ein Bein unnatürlich verdreht. Als der Eindringling sich vorbeugte, entdeckte er ein dunkles Rinnsal, das langsam unter dem Kopf von Bernardus Sallovinus hervorquoll.
    »Dummer alter Narr …«, murmelte der Fremde und ging zum Tisch, wo er die Kupferstiche zusammenrollte.
    »Herr Ruben, seid Ihr da oben?«, rief eine Frauenstimme aus dem Treppenhaus.
    Der Mann schrak zusammen, stopfte sich die Stiche in seinen Gürtel, griff nach der Pietra-Dura-Schatulle und drückte sich den Hut tief in die Stirn, bevor er eilig das Studierzimmer des seligen Bernardus Sallovinus verließ.

II
    • •
    Gut Kraiberg in Bayern, Februarius 1617

    Die Natur lässt sich nicht bremsen oder zwingen
    … weit gefehlt!
    Sie herrscht über uns, wir nicht über sie.
    Heinrich Khunrath alias Ricenus Thrasibaldus (1560–1605)

    D ie Tannenzweige waren unter dem nassen Schnee nach unten
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