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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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Die Wanduhr schlug, und das Mädchen freute sich schon auf denSoldaten in der blauen Uniform, der zur vollen Stunde das Holztürchen auffliegen ließ und mit hochgehaltenem Bajonett verkündete, dass es ein Uhr, zwei Uhr, dass es Mitternacht war!
    Geh ins Bett!
    Ich warte auf Vater!
    Geh, habe ich gesagt!
    Ich warte auf Vater!
    Pelsőczys Schritte waren zu hören, dann ein unsicheres Schlurfen und Scharren, er stieß die Wohnungstür auf, sein Haar war struppig, Gestank schlug herein, eine Mischung aus Tabak und Alkohol. Um die Schuhe entstand eine Pfütze. Pelsőczy grinste stumpfsinnig.
    Hörst du den Regen, Kleine, er trommelt wie eine stählerne Armee!
    Er öffnete seine zitternde Hand und hielt ihr drei Holzkästchen hin.
    Such dir eines aus, aber überleg dir gut, welches!
    Ich will sie alle, Papa!
    Der Vater tat verärgert, grummelnd warf er seine Jacke in die Ecke und suchte sich einen Hausmantel. Margit verschränkte die Hände vor dem Bauch, als wäre sie schwanger, und sah ihnen aus einigem Abstand zu. Rasch leerte das Kind die Kästchen, Zettel fielen heraus.
    Auf dem einen stand: NEIN, auf dem anderen JA, auf dem dritten: VIELLEICHT!
    Sie flüsterte heiser, als hätte sie einen wunderbaren Schatz gefunden.
    Ja, nein, vielleicht, das gehört also alles mir!
    Der Vater lachte und trank seinen Wein, der rote Saft lief ihm den Hals hinunter. Mit ausgebreiteten Armen zog er das tanzende Mädchen an sich.
    Am nächsten Tag stand Klara auf der Küchenschwelle, ihre Locken strahlten im Licht, Gold rieselte ihr übers Gesicht. Die Augen waren noch vom Schlaf verklebt, trotzdem sah sie, wie die Mutter die Kästchen ins Feuer warf, sie knackten erbittert inden Flammen. Nein, das war kein Traum mehr. Das Feuer fraß das Ja und das Nein auf, auch das Vielleicht wurde zu Asche! Wie gerne hätte sie nach ihnen gegriffen, sie gerettet, und sie hätte es sicher auch getan, wäre sie allein gewesen!
    Die Mutter schlug die Ofentür zu, schüttelte zischend die Hand, der Eisengriff hatte ihr die Finger verbrannt. Das Dienstmädchen lehnte an der Kammertür und grinste, dann ging es ohne ein Wort hinaus. Am nächsten Tag kündigte sie, sie sagte, sie habe Angst in diesem Haus, wo die Menschen wie Gespenster seien. Klara blieb stumm, ihre Hand ballte sich zur Faust, zugleich musste sie lächeln, und in diesem verzweifelten Lächeln verlor sich der Blick der Mutter. Das Mädchen lächelte, bis die Mutter aufbrauste.
    Los, zieh dich endlich an!
    Während sie sich die Strümpfe überzog, kam ihr der Gedanke, dass man jemandem mehr wegnehmen kann, als er bekommen hat. Auch wer nichts besitzt, kann ausgeplündert werden. Auch was wir nie besessen haben, kann uns genommen werden!
    Nun lächelte sie erst recht, wütend, aus Trotz, dieses Lächeln konnte ihr niemand nehmen. In ihrem schönsten Kleid trat sie in den Salon und vor die Mutter hin, die reglos auf dem Sofa saß. An Klaras Hals glitzerte eine Perlenkette, Rosenblüten waren auf das Rot ihrer Strümpfe genäht, im Haar ein Trauerflor. Sie blickte herausfordernd, als wäre ihr Glück unantastbar.
    Spiel du nur den Clown!, die Stimme der Mutter war rau, sie senkte den Kopf, als schämte sie sich, dass sie nicht netter sein konnte. Die Wanduhr trompetete, ein Uhrensoldat trat aus der kleinen Tür und grüßte sie beide!
    Das Mädchen knickste. Hei, Herr Husar, auch dir einen guten Tag!
    Als sie dem Vater zuflüsterte, was den Kästchen angetan worden war, nahm er sie in die Arme, er roch nach Alkohol, und sie sog die säuerliche Ausdünstung seines Körpers ein. Auf einmal bemerkte sie, dass er ihr etwas zwischen die Finger schob. Sie traute ihren Augen nicht! Wie kam es, dass die drei Kästchenwieder da waren? Wie nur, wie? Das war ein Geheimnis, an dem man sterben konnte!
    Auf ihren Spaziergängen durch die Stadt redete der Vater unentwegt und zeigte ihr alles.
    Der dort ist ein jüdischer Bürger. Siehst du, wie schnell er läuft? Der gute Mann kann nicht langsam gehen, nicht flanieren! Warum?! Weil der Arme so viel Ungewissheit in sich hat! Samstags siehst du sie selten, da legen sie die Hände in den Schoß, manche zünden nicht mal ein Licht an. Der Dicke dort heißt Ignác Derera, er handelt mit Knöpfen, am sogenannten Versöhnungstag ist er einmal wie Rauch im Himmel verschwunden. Immer am Versöhnungstag verschwindet ein Jude, der Teufel holt ihn, er bläst ihm Schwefelatem ins Gesicht, und schwups, ab geht’s in die Hölle! Manchmal taucht der Jude nicht wieder
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