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Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Titel: Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
Autoren: Julie Kenner
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stellte er fest.
    »Musst du irgendwohin?« Ich saß auf dem Bett; meine Schwester Rose hatte ihren Kopf auf meinen Schoß gebettet. Ich war müde und reizbar, ich gebs ja zu. Es war einfach zu viel in zu kurzer Zeit passiert. Mir dröhnte der Schädel. Auch wenn mein Körper keinen Schlaf mehr brauchte, ich sehnte mich geradezu nach einem Nickerchen.
    Wonach Deacon sich sehnte, davon hatte ich keinen blassen Schimmer. Bisher war ich noch nie über einen längeren Zeitraum mit ihm zusammen gewesen, und ich fragte mich ernsthaft, was er eigentlich den lieben langen Tag so trieb - oder die liebe lange Nacht. Ich hätte ihn ja fragen können, aber da ich nicht sicher war, ob mir die Antwort gefallen würde, hielt ich lieber die Klappe.
    In Wahrheit wollte ich schlicht und ergreifend nicht, dass er mich verließ. Dass er mir mitteilte, er müsse verschwinden und würde so bald wie möglich zurückkommen. Ich war auf Hilfe angewiesen. Und ich wollte Deacon aus ganz egoistischen Gründen an meiner Seite haben. Wollte das angenehme Gefühl empfinden, das mir seine Gegenwart bereitete, selbst wenn so viel Spannung in der Luft lag, dass jeden Moment eine Explosion drohte.
    Fast sechs Stunden saßen wir jetzt schon in diesem lausigen Motel, in das wir uns nach einer hässlichen kleinen Auseinandersetzung verkrochen hatten, in deren Verlauf Lucas Johnson einen Teil seiner dämonischen Essenz in Rose eingepflanzt hatte, bevor wir sie in Sicherheit hatten bringen können.
    Sie hatte gebrüllt vor Schmerz und Entsetzen, schließlich war sie ohnmächtig geworden. Seither schlief sie, und ich machte mir langsam Sorgen, dass sie nie wieder aufwachen könnte. Deacon hatte allerdings behauptet, sie würde schon bald wieder das Bewusstsein erlangen, wenn auch mit einer mörderischen Migräne. Ich fragte nicht nach, woher er so genau wusste, wie es ist, von einem Dämon besessen zu sein. Noch eins von den Dingen, die ich gar nicht so genau wissen wollte.
    Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass ich erst vor wenigen Stunden den baldigen Ausbruch Armageddons quasi mit links ermöglicht hatte, dann wird man sich nicht wundern, dass ich ein wenig unter Stress stand.
    »Sie werden nach dir suchen«, sagte Deacon. »Wir brauchen einen Plan.«
    »Sie« waren eigentlich er: Clarence, mein amphibischer »Mentor«. Ein krötengesichtiger kleiner Dämon, der mich nach Strich und Faden übers Ohr gehauen hatte. Und den ich umso mehr verabscheute, weil er mir allmählich sogar sympathisch geworden war.
    »Ich habe einen Plan.« Ich strich Rose übers Haar. »Den habe ich dir doch schon erklärt!« Im Grunde genommen hatten wir seit Stunden über nichts anderes gesprochen. Ein Wechselbad aus Selbstbeschimpfung - für mein Versagen Rose und der ganzen Welt gegenüber - und Hirngespinsten über künftige Ruhmestaten - wie ich nicht nur Clarence, sondern jeden Dämon, der sich mir in den Weg stellte, aus selbigem räumen würde.
    Das Fantasieren hatte zwar durchaus läuternde Wirkung; dennoch konnte ich es kaum erwarten, endlich zur Tat zu schreiten. Ich wollte die Befriedigung spüren, die mir der Akt des Tötens verschaffen würde. Die Kraft, die ich dadurch gewinnen würde. Ich wollte diesen Zuwachs an Macht, den ich aufsaugte, indem ich sie tötete. Die dämonische Essenz. Ihre dunklen Kräfte. Ihre Raserei.
    Und wie ich zugeben muss, genoss ich dieses mörderische Verlangen. Welch eine Ironie, denn ohne den ganzen Blödsinn, eine Prophezeiung habe mich als Dämonenkillerin angekündet, würde ich all diese krausen Mordgedanken gar nicht hegen. Ich würde nicht jeden Tag meines Lebens damit zubringen, die dämonische Essenz, die ich mit jedem Mord in mich aufsaugte, zu unterdrücken.
    Und was ganz besonders interessant ist: Da ich unwissentlich für die Bösen gearbeitet hatte, könnte man ja annehmen, ich hätte die ganze Zeit die Guten um die Ecke gebracht, die man mir fälschlicherweise als Böse angedreht hatte. In dem Fall wäre ich jetzt bis obenhin voll mit Güte und Licht, so goldig und liebreizend, wie man sich nur vorstellen kann. Denn dann hätte ich die Essenz einer ganzen Schiffsladung nahezu engelsgleicher Wesen aufgesogen.
    Ein hübscher Gedanke, der mit der Wirklichkeit leider rein gar nichts zu tun hatte. Denn Clarence und sein Trupp wollten mich nicht goldig haben. Oder nett. Deshalb ließen sie mich mit richtigen, echten, knallharten Dämonen trainieren. Sie hatten die eigenen Leute geopfert, um mich zu einer der ihren zu
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