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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen
Autoren: John Saul
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dunkelbraunen Augen und einer geraden Nase, das
nur durch die Dellen in der Scheibe leicht verzerrt wirkte.
Sie betrachtete sich noch einmal, dann drehte sie sich verärgert um. Was hatte sie eigentlich erwartet? Daß ihr die
widerstrebenden Gefühle auf der Stirn geschrieben standen?
Tatsache war doch, daß sie selbst am besten wußte, warum ihr
beim Gedanken an die Hinrichtung Richard Kravens
schauderte. Und zwar, weil sie zumindest teilweise die Verantwortung für seinen Tod trug…
»Stimmt nicht!«
Sie stieß die Worte so laut hervor, daß sie in der Enge des
Raumes widerhallten.
Es stimmte nicht, daß sie an Richard Kravens Hinrichtung
schuld war, sondern das war ganz allem er selbst. Er sollte
sterben, weil er für seine Sünden bestraft werden mußte – und
die waren schlimm genug, um ihn dafür zehnmal hinrichten zu
lassen.
Wie viele Menschen hatte Richard Kraven tatsächlich getö
tet, als er zu Forschungszwecken, wie er es nannte, durch das
Land streifte und Opfer für seine abscheulichen Experimente
suchte?
Niemand wußte es.
Kraven hatte stets standhaft abgestritten, jemanden getötet zu
haben, aber das waren nur die typischen Behauptungen eines
Psychopathen, der vorgab, nichts Schlechtes getan zu haben.
Anne Jeffers wußte es besser. Abgesehen von den drei
Menschen hier in Connecticut, für deren Morde er letzten
Endes verurteilt wurde, hatte er noch jede Menge andere auf
dem Gewissen. Dessen war sie ganz sicher. Die Leichen von
Männern und Frauen, jungen und alten, hatte man im ganzen
Land gefunden: von Kravens Heimat in Seattle bis hinunter zur
Küste nach San Francisco und Los Angeles, über Denver,
Minneapolis und Kansas City bis nach Atlanta. Es schien so,
als gäbe es keine Hauptstadt eines Bundesstaates, über die
nicht der dunkle Schatten von Kravens Morden gefallen war.
Auch jetzt noch wurde die Liste der Verbrechen, für die Richard Kraven als Hauptverdächtiger in Frage kam, immer länger.
Doch selbst als Gerüchte über weitere Untaten Kravens die
Runde machten, hatte es immer noch Leute gegeben, die ihn in
Schutz nahmen, darunter sogar einige von Annes Pressekollegen. Manche wiesen darauf hin, daß die Beweise, die vor
Gericht vorgetragen wurden, nicht stichhaltig genug seien, um
ihn verurteilen zu können. Andere argumentierten wissenschaftlich, man solle Kraven am Leben lassen, um ihn
genauer untersuchen zu können. Aber immer, wenn jemand
gegen die Hinrichtung Kravens gewesen war, hatte Anne
darauf reagiert, unverzüglich und mit deutlichen Worten.
Zu guter Letzt hatten sich die meisten Leute ihrer Meinung
angeschlossen. Richard Kraven mußte zum Tode verurteilt
werden.
Jetzt, zwei Jahre nach dem Urteilsspruch, waren alle Berufungen zu den Akten gelegt, sämtliche Anträge auf eine Neuverhandlung abgelehnt worden. Die übrigen Staaten, die
Ansprüche auf Richard Kraven hätten geltend machen können,
hatten darauf verzichtet, ihn wegen etwas anzuklagen, wofür er
andernorts bereits verurteilt worden war, und sich damit
beträchtliche Kosten erspart.
Dennoch hatte Richard Kraven in den letzten Jahren immer
größere Berühmtheit erlangt, und die Stimmen derer, die sein
Leben retten wollten, waren ständig lauter geworden. Anne
Jeffers hatte das wachsende Protestgeschrei mit Erstaunen
vernommen. Glaubten manche Leute denn allen Ernstes, einen
Mann, der ein zehnjähriges Mädchen ermordet und seziert
hatte, könne man einfach laufen lassen? Wie konnte sich
überhaupt jemand in die Idee versteigen, daß Kraven
angesichts der drückenden Beweislast unschuldig sei?
Seit sie über den Fall berichtete, hatte Anne Jeffers in ihren
Artikeln das gesamte Beweismaterial immer wieder aufgelistet
– Beweismaterial, von dem Richard Kraven kaltblütig
behauptete, es sei erfunden, konstruiert und manipuliert
worden, zum einzigen Zweck, ihn wegen Verbrechen anzuklagen, an denen er völlig unschuldig sei.
Natürlich war es Kraven niemals gelungen, seinerseits
Beweise dafür zu erbringen, daß eine Verschwörung gegen ihn
im Gange war, daß, wie er behauptete, fast ein Dutzend Staaten
ein Komplott gegen ihn geschmiedet hätten, um ihn zu
vernichten. Anne kannte sich mit Paranoikern gut genug aus,
um zu wissen, daß deren Verfolgungswahn mit rationalen
Argumenten nicht beizukommen war.
Doch Richard Kraven – für Anne die Personifizierung des
gutaussehenden und charmanten Psychopathen – hatte es
tatsächlich geschafft, Tausende von Menschen davon zu
überzeugen, daß man ihn wirklich nur
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