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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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Religion der Bewohner.
    Es wird so sein, dachte er, dass bei der Wohnungseinrichtung der Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden nicht so groß ist wie der zwischen Menschen mit und ohne guten Geschmack.
    Eva Hahn reichte ihm ein Glas und deutete auf einen Freischwinger-Stuhl. »Ich würde gern auf Augenhöhe mit Ihnen reden.«
    Schwarz nickte und setzte sich. »Wohnen Sie hier allein?«
    »Nein, meine Familie macht nur gerade Urlaub.« Sie lehnte sich zurück. »Also, was hat Ihnen mein Onkel denn schon erzählt?«
    »Nicht viel. Ich wusste nicht mal, dass Herr Loewi Ihr Onkel ist.«
    »Mein Lieblingsonkel sogar. Bei ihm durfte ich schon mit fünfzehn Alkohol trinken und in die Disko gehen.« Ihr Lächeln erstarb.
    »Ich nehme an, dass Sie seit jenem Tag im Rollstuhl sitzen«, sagte Schwarz mit leicht belegter Stimme.
    Eva nickte. »Aber ich mache mir immer wieder klar, was für ein Riesenglück ich hatte, wo ich doch eigentlich hätte tot sein sollen.«
    »Sie sind überzeugt davon, dass Tim Burger Sie umbringen wollte?«
    »Absolut.«
    Schwarz wartete auf eine Begründung, aber die junge Frau schwieg. Er ließ ihr Zeit und betrachtete sie. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig, ihr Teint blass, ihre Augen strahlend blau. Sie ist fast zu schön, dachte er.
    »Er wollte uns töten«, brach es unvermittelt aus Eva heraus, »er wollte uns töten, weil wir Juden sind.«
    »Burger hat seine Freundin vor der verhängnisvollen Fahrt mit einem anderen im Bett erwischt und wusste vielleicht gar nicht mehr, was er tut«, sagte Schwarz.
    »Das wusste er ganz genau«, widersprach Eva. »Ich habe seinen Blick gesehen, unmittelbar vor dem Aufprall.«
    Das reicht nicht, dachte Schwarz, das ist kein Beweis. »Ist Ihnen Tim Burger vor jenem verhängnisvollen Tag schon mal begegnet, Frau Hahn?«
    Eva hob ratlos die Schultern. »Nicht bewusst.«
    »Und jemand anderem aus Ihrer Gruppe?«
    »Marek meinte, er habe ihn mal vor der alten Synagoge in der Reichenbachstraße gesehen.«
    »Hat er das auch vor Gericht gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er war sich nicht sicher.«
    Schwarz überlegte. »Würden Sie mich an den Tatort begleiten?«
    Eva zögerte.
    »Eigentlich meide ich die Landsberger Straße. Wenn ich in die Stadt muss, nehme ich lieber einen Umweg in Kauf.«
    »Sie würden mir helfen.«
    Sie seufzte.
     
    Schwarz sah fasziniert zu, wie Eva Hahn sich mittels einer kleinen Hebebühne mitsamt ihrem Rollstuhl hinters Steuer des umgebauten Wagens hieven ließ.
    »Worauf warten Sie, Herr Schwarz?«
    Er nahm neben ihr Platz und stellte fest, dass das Fahrzeug keine Pedale besaß. Eva hatte seinen Blick bemerkt und lächelte.
    »Der Wagen hat ein Automatikgetriebe, Gas und Bremse bediene ich mit den Händen. Steht alles in meinem Führerschein. Wollen Sie kontrollieren?«
    Schwarz winkte verlegen ab.
    Als Eva in die Offenbacher Straße einbog, erkundigte er sich nach den anderen überlebenden Opfern von BurgersAmokfahrt; zwei der jungen Leute waren nach dem für sie völlig unverständlichen Gerichtsurteil nach Israel ausgewandert.
    »Nur Marek und ich sind in München geblieben.«
    »Haben Sie mit ihm Kontakt?«
    »Ja. Soll er kommen?«
    Schwarz nickte und bereute es sofort, als er sah, dass Eva Hahn ein Handy zückte, die Nummer aufrief und gleichzeitig Blinker und Bremse betätigte. »Hallo, Marek, hast du gerade Zeit?«
    Schwarz entspannte sich erst, nachdem Eva sich problemlos in den dichten Verkehr auf der Landsberger Straße eingefädelt hatte. Sie lachte. »Einen Privatdetektiv hätte ich mir irgendwie kaltblütiger vorgestellt.«

7.
    Eva Hahn parkte auf der Standspur vor der Lärmschutzwand. Ihr Rollstuhl senkte sich sanft auf die Straße, als ein Mann auf einer schwarzen Vespa eintraf. Er nahm den Helm ab, fuhr mit der Hand durch sein rotes Haar, beugte sich zu Eva hinab und küsste sie auf den Mund.
    »Du wirst immer schöner.«
    Dann streckte er Schwarz die Hand hin. »Marek Solender. Sie können gern Du zu mir sagen.«
    »Anton Schwarz. Ich würde Sie lieber siezen. Sie sind ein Zeuge.«
    »Wie Sie meinen. Ich habe übrigens gestern mit Sammy telefoniert, der damals auch dabei war und jetzt in Haifa lebt.«
    »Wie geht’s ihm?«, fragte Eva.
    »Super. Er hat sich ein Poster mit Glatzen, die den Hitlergruß zeigen, übers Bett gehängt.«
    »Was?« Eva und Schwarz schauten ihn ungläubig an.
    »Gegen das Heimweh.« Marek lachte als Einziger über seinen Witz. Eva rollte über eine Grasfläche zu der Stelle, wo die
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