Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
der weiß, dass ich für diese Oblaten sterbe. Aber bei wem?
    »Sie sind ein guter Beobachter, Herr Loewi«, sagte er. »Also, leider   …«
    Bevor er weitersprechen konnte, hielt der Anwalt ihmeine Mappe mit Fotokopien hin. »Meine Sekretärin hat für Sie eine kleine Materialsammlung zusammengestellt. Beim Durchblättern ist mir ein wichtiges Indiz wieder eingefallen. Tim Burger ist nach Aussagen von Zeugen vor der Tat mindestens zehn Minuten im Stau gestanden. Während dieser Zeit kamen zahlreiche Passanten an seinem Wagen vorbei, Geschäftsleute, Mütter mit kleinen Kindern, alte Leute und auch Schüler. Er hat sie alle unbehelligt gelassen.«
    Schwarz schaute ihn irritiert an.
    »Aber als fünf Jugendliche mit dem Abzeichen eines jüdischen Vereins auf ihren Trainingsanzügen auftauchten, drückte er aufs Gas. Halten Sie das für einen Zufall?«
    Schwarz überlegte. »Er könnte wie ich blauweiß für typisch bayerisch gehalten haben.«
    »Aber nicht den Davidstern auf dem Vereinswappen. Den kann man wohl schlecht mit dem bayerischen Löwen verwechseln.«
    »Hm. Er könnte Burger egal gewesen sein.«
    »Dann wäre er doch nicht genau in diesem Moment losgefahren.«
    »Wir drehen uns im Kreis, Herr Loewi.«
    »Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen.«
    Schwarz schwieg.
    »Wollen Sie nicht auch wissen, was damals wirklich passiert ist?«
    »Langsam werde ich neugierig«, sagte Schwarz.
    Loewi atmete auf und streckte ihm die Hand hin.
    »Moment.«
    »Was?«
    »Ich kriege zweihundertfünfzig pro Tag.«
    Loewi schluckte. »Ist das ein Versuch, mich doch noch loszuwerden?«
    Schwarz lächelte. »Es ist mein übliches Honorar. Wenn ich nichts rausfinde, bekommen Sie die Hälfte zurück.«
    »Brauchen wir einen Vertrag?«
    Schwarz schüttelte den Kopf, ihm genügte ein Händedruck.
    Dann tranken sie Kaffee und aßen dazu die Oblaten, die Schwarz zu trocken fand. »Gar nicht schlecht«, sagte er.
    »Bestimmt nicht so lecker wie die aus dem Hause Schwarz.«
    Schwarz lächelte geschmeichelt. Die Konditorei seines Großvaters hatte vor dem Krieg Kunden in ganz Europa beliefert. Seine Mutter hatte den köstlichen Geruch und Geschmack der Schwarz-Oblaten so oft beschrieben, dass er sich fast erinnerte, sie in seiner Kindheit probiert zu haben. Dabei war er dafür eindeutig zu spät geboren.
    »Jetzt möchte ich aber doch wissen, woher Sie Ihre Informationen über mich haben, Herr Loewi.«
    »Ein Onkel von mir hat Ihre Mutter gekannt.«
    »Dann haben Sie auch Egerländer Wurzeln?«
    Loewi schüttelte den Kopf. »Jüdische.«
    »Tatsächlich?« Schwarz lachte. »Wissen Sie, dass Sie mein erster echter Jude sind?«
    »Glückwunsch«, sagte Loewi.

6.
    Die verwunschene Villa stand inmitten eines parkähnlichen Gartens. Sie gehörte zur nördlich des Pasinger Bahnhofs gelegenen Kolonie des Architekten August Exter, der hier zu Beginn des 20.   Jahrhunderts seine Vision bürgerlichen Wohnens im Grünen verwirklicht hatte. Immer, wennSchwarz in das Quartier kam, begann er zu träumen. So wenig korrupt er sonst war, für ein Anwesen in der Kolonie hätte er sogar die Liebe zu Monika verraten, sich an eine reiche Erbin heranmachen und zum Heiratsschwindler werden können.
    Er klingelte unter dem Messingschild mit dem Namen Hahn. Er wartete eine Weile und klingelte erneut. Als die Tür sich endlich öffnete, sah er kurz ins Leere.
    »Sind Sie Herr Schwarz?«
    Sein Blick fiel auf eine hübsche junge Frau mit wilder, kastanienbrauner Lockenmähne. Sie saß im Rollstuhl. »Ich bin Eva Hahn. Kommen Sie doch rein!«
    »Danke.«
    Beim Eintreten bemerkte Schwarz am rechten Türpfosten eine schräg angebrachte silberne Hülse.
    »Das ist eine Mesusa. Sie soll die Hausbewohner schützen. Eigentlich gehört sie an die Außenseite der Tür, aber so mutig bin ich noch nicht wieder.«
    »Bei uns, auf dem Land«, sagte Schwarz, »gibt es was Ähnliches. Da wird an Dreikönig C+M+B und die Jahreszahl über die Haustür geschrieben.«
    Eva nickte amüsiert. »Ich bin hier geboren, Herr Schwarz. Darf ich Ihnen was anbieten?«
    »Nein, danke.«
    »Bloß keine falsche Rücksichtnahme. Saft, Wasser, Bier?«
    »Dann ein Wasser, bitte.«
    Während Eva Hahn in der Küche war, schaute Schwarz sich neugierig um. Der Raum, in den sie ihn gebracht hatte, war hoch, hell und mit modernen Möbeln eingerichtet. An den Wänden hingen ansprechende Aquarelle. Bis auf einen alten Messingleuchter mit hebräischer Inschrift entdeckte er keine Hinweise auf die jüdische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher