Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
mich wie ein Dackel anzuschauen, Anton.«
    »Hat Tim Burger jemals schlecht über Juden gesprochen?«
    »Was?« Sie blickte ihn irritiert an.
    »Sag schon, hat er?«
    »Du weißt, wie viel Blödsinn da geredet wird. Die meisten meiner Schüler haben noch nie einen Juden gesehen, aber wenn ich frage, ob die Juden in Deutschland zu viel Einfluss hätten, antwortet ein Drittel mit Ja.«
    »Burger auch?«
    »Daran erinnere ich mich wirklich nicht mehr.«
    Er bemerkte, dass sie seinem Blick auswich. »Aber an was anderes erinnerst du dich, stimmt’s?«
    Monika berührte Schwarz leicht am Arm und lotste ihn zu einem Mauervorsprung am Rand des Pausenhofs.
    »Wir haben nicht über Tim gesprochen, okay?«
    »Einverstanden.«
    Sie erzählte, wie Tim Burger sie einige Monate nach seinem Schulausschluss auf der Straße abpasste. Er sei völlig durcheinander gewesen.
    »Um was ging es?«
    »Um Linda, die Prinzessin. Tim war mit ihr zusammen gewesen. Mit dem begehrtesten Mädchen der ganzen Schule, verstehst du?«
    »Sie hat ihn verlassen. Warum?«
    »Sie muss von ihm irgendeine abstruse Mutprobe gefordert haben, aber er hat gekniffen. Daraufhin hat sie unter der Überschrift
Wieso ich nicht mit einem Loser zusammen sein will
Tims peinlichste Fotos und dümmste Sprüche ins Internet gestellt. Doch selbst damit wurde sie ihn nicht los.«
    »Das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Also, bitte! Ich habe unsere Trennung immer diskret behandelt.«
    »Ich meinte, dass du mich nicht loswirst.«
    »Ich kann es ja machen wie Linda. Sie muss Tim mehr oder weniger dazu eingeladen haben, ihr beim Sex mit seinem Nachfolger zuzugucken.«
    Schwarz schluckte.
    »Entschuldige, Anton, das war gemein.« Diesmal ließ sie seinen Namen ganz anders klingen. Anton, mit einem tief aus der Brust kommenden, leicht vibrierenden A.
    »Schon okay«, sagte Schwarz.
    Monika wandte sich zum Gehen. »Tim Burger hat Linda jedenfalls unmittelbar vor seiner Amokfahrt mit dem anderen im Bett erwischt. Aber daran erinnerst du dich bestimmt.Die Presse hat es ja in allen Einzelheiten durchgehechelt.«
    Schwarz erinnerte sich nicht. Merkwürdig. Gab es bei ihm vielleicht noch andere blinde Flecken als die von Loewi erwähnten? Flecken, die sich gnädig über Ereignisse legten, die ihn an Monikas unverständlichen und schmerzhaften Rückzug erinnern könnten?
    »Wie heißt diese Linda mit Nachnamen?«, rief Schwarz Monika nach.
    »Heintl. Linda Heintl.«

4.
    Seine vor vier Jahren noch fast kindlichen Gesichtszüge waren kantig geworden. Er trug das Haar kurz geschnitten und gescheitelt und legte Wert darauf, dass es ihm nicht in die Stirn fiel. Für einen Besuch bei einem anständigen Friseur, spotteten seine Mithäftlinge, würde er sich sogar vögeln lassen. Allerdings wagte keiner, so etwas laut zu sagen, denn Tim Burger war gefürchtet. Es gab Gerüchte, zu Beginn seiner Haftzeit habe er einen Zellengenossen halb totgeprügelt.
    »Siebenunddreißig«, keuchte er.
    Tim belastete bei seinen Liegestützen nicht wie üblich die Handflächen oder wie die härteren Jungs im Knast die Fäuste. Bei ihm drückte das gesamte Gewicht auf die Fingerknöchel. Er ärgerte sich, weil die Haut an zwei Fingern platzte und das Blut auf dem Boden Flecken hinterließ.
    »Dreiundsechzig.«
    Die anderen Knackis täuschten sich, wenn sie glaubten, sein Ziel wäre es, eine menschliche Kampfmaschine zu werden. So primitiv war er nicht. Ihm ging es nicht um dieKörperkraft, sondern um den Willen. Er wollte es lernen, körperliche und seelische Schmerzen auszuschalten. Nur dafür trainierte er.
    »Siebenundneunzig.«
    Der Boden unter seinen Augen verschwamm und begann sich in Wellen zu bewegen. Er kam ihm entgegen und entfernte sich wieder. Kam ihm entgegen, entfernte sich. Es ist fast wie mit einer Frau, dachte er. Aber er durfte nicht zulassen, dass der Schmerz ihm Lust bereitete. Er biss sich auf die Zunge.
    »Hundertelf.«

5.
    Nach längerem Überlegen hatte Schwarz sich dafür entschieden, Loewi abzusagen. Er dachte gerade über eine schlüssige Begründung nach, als es klingelte und der Anwalt vor der Tür stand.
    »Ich muss Ihnen leider sagen   …«, begann Schwarz, aber Loewi unterbrach ihn.
    »Ich habe Karlsbader Oblaten für Sie. Mit Schokofüllung.«
    Schwarz war überrascht. Woher wusste der Mann von seiner Vorliebe?
    »Mir ist beim letzten Mal die leere Verpackung aufgefallen.«
    Das ist nicht wahr, dachte Schwarz, er hat sich über mich informiert, und zwar bei jemandem,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher