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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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und betrachtete Loewi. Verbarg sich hinter der Maske des seriösen Anwalts ein Verrückter? Klienten, die an Verschwörungen glaubten, gehörten zu den unangenehmsten überhaupt. »Sie vermuten also, dass nicht nur dieser Burger, sondern auch Carl Heuwieser gezielt Juden aufs Korn genommen hat?«, versuchte Schwarz Loewi aufs Glatteis zu locken.
    »Wie bitte? Halten Sie mich für verrückt?«
    »Nein«, stammelte Schwarz, »eigentlich nicht. Ich verstehe nur nicht, was die beiden Fälle verbindet.«
    »Die blinden Flecken«, sagte Loewi.
    Schwarz runzelte die Stirn.
    »Ich bin seit mehr als dreißig Jahren Anwalt und immer wieder darauf gestoßen. Polizisten, Richter, Zeugen, alle leiden an diesem Phänomen.«
    »Den blinden Flecken?«
    »Ja, entweder wird die jüdische Identität der Opfer ausgeblendet oder der rechtsextremistische Hintergrund der Täter. Manchmal mag das politisches Kalkül sein, um die Statistik zu schönen, meistens aber geschieht es unbewusst. Den Fall Heuwieser habe ich nur angesprochen, um Ihnen zu zeigen, dass auch Sie diese Löschfunktion im Kopf haben.«
    »Ich? Ich frage ja auch nicht, ob ein Opfer Katholik oder Protestant ist, Herr Loewi. Weil es keine Rolle spielt.«
    »Einverstanden. Aber
wenn
die Religion der Grund für einen Mordanschlag war, sollte es doch wohl eine Rolle spielen. Und erst recht, wenn der Täter möglicherweise nach wie vor zur Gewalt gegen Juden entschlossen ist.«

3.
    Schwarz hatte um Bedenkzeit gebeten. Reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ohne Sinn und Aussicht auf Erfolg versuchte er grundsätzlich zu vermeiden. Um frei entscheiden zu können, welchen Auftrag er übernahm und welchen er ablehnte, hatte er sich vor einiger Zeit als Wachmann bei einem Konsulat verpflichtet. Der Verdienst reichte zumindest für die Mietkosten seiner extravaganten Unterkunft.
    Schwarz überlegte. War es denkbar, dass ein Mordanschlag mit antisemitischem Hintergrund als wahlloseVerzweiflungstat eines seelisch Verirrten eingestuft und mit einer viel zu milden Jugendstrafe geahndet worden war? Oder hatte Loewi sich da in etwas verrannt?
    Was sagt mir mein Gefühl, dachte Schwarz. Sein Gefühl schwieg.
    Er musste also auf anderem Wege zu einer Entscheidung kommen. Außer der Tatsache, dass seine ehemaligen Kollegen von der Kripo mit den Ermittlungen betraut gewesen waren, gab es noch eine weitere Verbindung zu dem Fall. Tim Burger hatte einige Jahre das Pasinger Gymnasium besucht, das Monika als Direktorin leitete.
    Schwarz traf pünktlich zur Pause ein.
    Die Schüler strömten aus allen Türen in den asphaltierten und mit zwei armseligen Bäumchen dekorierten Pausenhof. Monika hatte sich immer geärgert, dass ihr Mann Lehrer maßlos dafür bewunderte, dass sie bei diesem Höllenlärm nicht gewalttätig wurden. Als hätten sie keine anderen Verdienste.
    Schwarz wusste, dass seine Frau den Kontakt mit den Schülern suchte und ihr Büro so oft wie möglich verließ. Es dauerte nicht lange, da tauchte sie auf, ein sportlicher Typ im khakifarbenen Hosenanzug mit dezent gesträhnter, dunkelblonder Kurzhaarfrisur. Ihre 47   Jahre sah man ihr nicht an. Sie sprach mit einigen der Schüler und schien ganz in ihrem Element. Als Monika Schwarz ihren Mann bemerkte, verfinsterte sich ihre Miene. »Hey, du weißt genau, dass du hier nicht einfach aufkreuzen sollst.« Sie nahm ihn zur Seite. »Was ist denn, Anton?« Niemand konnte den Namen Anton schauerlicher klingen lassen als sie.
    »Ich bräuchte deinen Rat.«
    Monika stöhnte. »Wir haben uns getrennt.«
    »Du ziehst es vor, dass wir in getrennten Wohnungen leben«, korrigierte Schwarz sie sanft, »vorübergehend.«
    Monika war klug genug, das Thema nicht zu vertiefen. Schwarz war dazu fähig, ihr vor allen Schülern seine Liebe zu erklären.
    »Um was geht es denn?«
    »Um einen Fall, den ich übernehmen soll. Erinnerst du dich an Tim Burger?«
    Monika nickte.
    »Hast du ihn mal als Lehrerin gehabt?«
    »Ja, in dem Jahr, in dem er von der Schule flog.«
    »Wieso habt ihr ihn rausgeworfen?«
    »Das darf ich dir nicht sagen.«
    »Mir genügt eine Andeutung.«
    »Wir haben ihn nicht mehr in den Griff gekriegt.«
    »Drogen? Psychische Probleme?«
    »Anton, ich darf keine Auskünfte über Schüler geben.«
    Schwarz sah, dass Monika um die Hüften herum ein klein wenig zugelegt hatte. Es störte ihn nicht. Sein Blick wanderte zu dem zarten Flaum an ihren Schläfen, den er so liebte, und zu den Lachfältchen um ihre grünblauen Augen.
    »Hör auf,
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