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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Autoren: Peter Probst
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gleich niesen wird. Monika, die stolz am Steuer des nagelneuen Opel Rekord C sitzt, der vor seiner Verschrottung neunzehn Liter saufen wird. Monika und die dreijährige Luisa, die mit beseelten Gesichtern in einer endlosen Reihe Kerzen haltender Menschen stehen. Es ist ein Nikolausabend Anfang der Neunziger. Die halbe Stadt ist auf den Beinen und demonstriert mit einer Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit.Schwarz ist zu dieser Zeit noch Polizist, aber wegen aufmüpfigen Verhaltens gegenüber einem bürokratischen Vorgesetzten zum Bürodienst verdammt.
    »Sie erinnern sich bestimmt an den Unfall von Carl Heuwieser«, hatte Loewi begonnen. »Es war die Nacht vom 15. auf den 16.   Mai 1989, als er auf der Autobahn München   – Lindau mit hoher Geschwindigkeit auf einen Wagen auffuhr. Es gab einen Toten und eine Schwerverletzte.«
    »Heuwieser war damals Landtagsabgeordneter und besoffen«, sagte Schwarz und nickte.
    Loewi erinnerte an die öffentliche Empörung nach dem Unfall, an Heuwiesers Rücktritt von seinen diversen politischen Ämtern und die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
    »Auf Bewährung. Schon drei Jahre später zog er wieder in den Landtag ein, weil wir Bayern ein großes Herz für arme Sünder haben – zumindest für die aus der Politik«, sagte Schwarz und stand auf, um sich noch mal Kaffee zu holen.
    »Noch einen für Sie?«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf.
    »Warum erzählen Sie mir eine Geschichte, die ich kenne, Herr Loewi?«
    »Die Sie kennen?« Er lächelte ein klein wenig überheblich. »Was wissen Sie denn über den Mann, den Heuwieser tötete?«
    Schwarz schob die Unterlippe nach vorn. »Er war Rentner, glaube ich, und ist in einem kleinen Fiat gefahren, mit dem er keine Chance gegen die schwere Limousine vom Heuwieser gehabt hat.«
    »Richtig. Und weiter?«
    Schwarz machte eine bedauernde Geste.
    »Dann sage ich es Ihnen. Er hieß Josef Rojewski, hatte das KZ Dachau überlebt und war auf dem Weg in seine polnischeHeimat, die er nach 1945 nie mehr besucht hatte. Er wollte nach Auschwitz, wo seine Eltern umgebracht worden waren.«
    Nein, das hatte er nicht gewusst.
    »Das war damals aber in allen Zeitungen zu lesen, Herr Schwarz.«
    »Dann muss ich es vergessen haben.«
    »Vergessen«, wiederholte der Anwalt und blickte gedankenverloren auf die Kreuzung vor dem Haus. Schwarz ließ etwa hundertfünfzig der dreißigtausend Autos vorbeifahren, die jeden Tag die Landsberger Straße heimsuchten, dann räusperte er sich. Als Loewi sich umdrehte, meinte er einen feuchten Glanz in dessen Augen zu sehen, aber vielleicht täuschte er sich auch.
    »Am 22.   Juni 2004«, sagte der Anwalt, »steuerte der zwanzigjährige Tim Burger den Geländewagen seiner Mutter in eine Gruppe Jugendlicher.«
    Schwarz nickte. »Ein Toter, zwei Schwerverletzte. Wenn man Richtung Innenstadt fährt, kann man an der Unfallstelle noch Spuren sehen.«
    »Es war kein Unfall.«
    »Eine Amokfahrt, ich weiß.«
    »Genau das ist die Frage. Die jungen Leute kamen vom Training. Sie waren Mitglieder eines Sportvereins, Blau-Weiß 57.«
    »Und?«
    »Ein jüdischer Verein.«
    Schwarz lachte. »Jüdisch? Blau-Weiß?«
    »Bayerisch wäre weiß-blau. Ich habe Hinweise, dass Burger Neonazi ist, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er gezielt Juden töten wollte.«
    Schwarz wusste einiges über den Fall. Er hatte sich nicht lange nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst ereignet,und die Ermittlungen waren bei seiner ehemaligen Abteilung gelegen. Aber das band er Loewi jetzt nicht auf die Nase. Stattdessen fragte er scheinheilig, wie denn das Gericht geurteilt habe.
    »Es hat einen antisemitischen Hintergrund ausgeschlossen. Burger hat nur sechs Jahre Jugendstrafe bekommen, seine blindwütige Tat sei durch eine schwere Lebenskrise ausgelöst worden.«
    »Was Sie bezweifeln?«
    »Richtig.«
    »Und ich soll stichhaltige Beweise für Burgers rechtsextremistische Gesinnung liefern? Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens?«
    Loewi nickte. »Wir müssen unbedingt verhindern, dass Burger vorzeitig entlassen wird.«
    Diesmal trat Schwarz selbst ans Fenster. Er starrte auf die Kreuzung der Landsberger mit der Offenbacher Straße und das unbebaute Grundstück daneben, auf dem überlebensgroße Bronzeskulpturen zum Verkauf angeboten wurden. Welcher vernünftige Mensch, dachte er, stellt sich bloß solche Scheußlichkeiten in den Garten, einen Hirsch, ein Nashorn oder King Kong?
    »Herr Schwarz?«
    Er drehte sich um
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