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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst
Autoren: George D Shuman
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überlebt hatte.
    Das Wetter war umgeschlagen, und die Rettungstrupps brachen auf, um zu den Überlebenden vorzudringen. Metcalf fragte, ob Brighams berühmte Freundin bereit wäre, zu dem Berg zu fliegen, um herauszufinden, ob es noch Funkkontakt zwischen dem Team mit seiner Tochter und den Überlebenden gegeben habe, bevor die Kommunikationssysteme ausfielen. Er fügte hinzu, dass Sherry Zugang zu den Leichen der abgestürzten Bergsteiger bekommen würde. Vielleicht hatte ja einer von ihnen seine Tochter beim Abstieg gesehen, als der Sturm einsetzte. Der Senator griffe nach jedem Strohhalm, meinte Brigham. In Alaska war es erst zwei Uhr nachts – und sie konnte noch vor Mittag am Denali sein, wenn sie sofort aufbrach.
    Sherry Moore hätte alles für Garland Brigham getan, auch wenn es in diesem Fall vielleicht nicht mehr als ein Zeichen des Mitgefühls war. Um halb sieben Uhr früh saß sie in einem Wagen der Militärpolizei, der sie in aller Eile zum Philadelphia International Airport brachte. Um sechs Uhr fünfzig stieg sie in einen luxuriösen Gulfstream-Jet, wo sie eine Tasse Kaffee bekam. Sie war der einzige Passagier, der in dem Flugzeug mit 0,85 Mach quer über das Land flog.
    Von Brigham wusste Sherry, dass die Rettungsteams das Tageslicht auf ihrer Seite hatten. In Alaska würde die Sonne erst um Mitternacht untergehen, sodass es rund neunzehn Stunden hell war. Sie wusste auch, dass der Sohn des Senators, U.S. Navy Seal Captain Brian Metcalf, sie in Anchorage empfangen würde, von wo sie mit einem Privathubschrauber zum Denali-Nationalpark und weiter in das Medical Camp gelangen würde.
    Sherry war während des Flugs immer wieder kurz eingenickt, während sie die Nachrichten im Satellitenfernsehen verfolgte. Mehrmals telefonierte sie mit Brigham. Er berichtete, dass Captain Metcalf ihn angerufen habe, weil er wissen wollte, ob sie vielleicht versuchen würde, zusammen mit ihm zu einem Toten zu gelangen, der in einer Wand des Berges hing. Metcalf war überzeugt, dass der Bergsteiger dem Team seiner Schwester angehört hatte. Der Mann hatte offenbar versucht, mit einem Farbspray eine Botschaft auf dem Fels zu hinterlassen, ehe er starb.
    Brigham riet ihr nicht von dem Unternehmen ab, doch er warnte Sherry vor dem, was sie in Anchorage erwartete. Die beiden Männer mussten über ihre körperlichen Fähigkeiten gesprochen haben. Metcalf hätte bestimmt nicht daran gedacht, zusammen mit einer blinden Frau einen Berg hochzuklettern, wenn er nicht gewusst hätte, dass sie dazu physisch imstande war. Brigham sagte ihr nicht, was sie seiner Meinung nach tun solle – er versuchte, die Entscheidung stets ihr zu überlassen –, doch er schien die Sache immerhin für möglich zu halten.
    Eines jedoch wusste sie mit Sicherheit: Er würde niemals tatenlos zusehen, wie sie sich auf ein Unternehmen einließ, bei dem ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet war. Wenn Brigham diese Möglichkeit mit Metcalf diskutiert hatte, dann hieß das, dass er dessen Fähigkeiten vollstem vertraute. Was Sherrys Beitrag zu dem Unternehmen betraf, so brauchte sie nicht mehr als eine Leiche mit einem intakten neurologischen System und einem inaktiven Gehirn, um die letzten Sekunden in den Gedanken des Toten sehen zu können.
    Sherry spürte, wie der Hubschrauber vom Wind geschüttelt wurde. Sie wusste ein paar Dinge über den Pave Hawk: Es handelte sich um eine modifizierte Version des Black Hawk, wie er in den Streitkräften eingesetzt wurde, ein siebzehn Millionen Dollar teures Fluggerät, das vor allem auf Rettungseinsätze in unwegsamem Gelände spezialisiert war. Der Hubschrauber wurde nicht nur in den extremen Gebirgslandschaften Afghanistans eingesetzt, sondern auch für zivile Bergungen wie jene nach dem Taifun Chanchu, dem Tsunami im Indischen Ozean, oder nach Hurricane Katrina in New Orleans.
    Man hatte ihr gesagt, dass außer ihr noch drei Männer im Helikopter waren, alle Navy SEALs, also Angehörige der berühmten Elitetruppe der U.S. Navy, die für besonders heikle Operationen zuständig war. Sherry stieß mit der Schuhspitze gegen den Seesack, der zwischen ihr und den Männern stand. Sie stellte sich vor, dass er orange oder rot oder gelb war und vollgestopft mit Morphium und Sauerstoff, mit Adrenalinspritzen und Halskrausen und natürlich auch mit Leichensäcken. Metcalf mochte ja gekommen sein, um Überlebende zu bergen, aber die Leute wussten genau, dass es sehr oft nur noch Leichen zu bergen gab. Sie wusste, dass
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