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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz
Autoren: Jane Feather
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geheftet, die Peitsche locker an seiner Seite aufgerollt. Unvermittelt schnellte die Peitschenschnur wieder vor, und sein Gegner sprang zurück. Wieder pfiff und knallte die Peitsche, wieder wich Gracemere entsetzt zurück. Marcus verfolgte sein Opfer immer weiter auf diese Weise, bis der Earl mit dem Rücken gegen einen schweren Schrank gepreßt stand.
    »So«, sagte Marcus sanft, »und nun wollen wir mal ernsthaft beginnen, Sir.«
    »Ganz recht, lassen Sie uns ernsthaft beginnen, Mylord.« Agnes Barret stand in der Verbindungstür zwischen den beiden Zimmern. Sie hielt eine Pistole in der Hand, deren Mündung direkt auf den Marquis zielte. »Geben Sie Gracemere die Peitsche. Ich glaube, er wird seine Freude daran haben, sie zu benutzen.«
    Der Earl grinste und streckte die Hand aus.
    »Bilden Sie sich nicht ein, ich würde nicht schießen, Carrington«, warnte Agnes mit verkrampftem Lächeln. »Natürlich werde ich Sie nicht töten. Die Konsequenzen Ihres Todes dürften ein wenig schwierig zu umgehen sein, aber ich werde Ihnen die Beine brechen. Wir drei werden bereits lange von hier verschwunden sein, bis Sie wieder ausreichend bei Besinnung sind, um sich die Treppen hinunterzuschleppen.«
    Harriet schrie auf. Gracemere riß Marcus die Peitsche aus der Hand.
    Unten im Gasthaus rang der Wirt verzweifelt nach Luft, als der Droschkenkutscher lächelnd das großkarierte Halstuch um seine Kehle zusammenschnürte und zum zweiten Mal fragte: »Wo finden wir den Unterschlupf des Gentleman?«
    »Vielleicht kann er nicht sprechen«, schlug Judith vor, als der Wirt unter dem Würgegriff des Kutschers wild mit den Armen um sich schlug. »Sie drücken zu fest zu.«
    Der Kutscher lockerte das Halstuch ein wenig, und Mr. Winkler zeigte mit einem heiseren, aber informativen »Ställe« nach draußen. Sein Gesichtsausdruck besagte deutlich, daß er nicht das geringste Interesse mehr hatte, irgend jemandes Privatsphäre zu schützen, und daß er bereitwillig alle Geheimnisse seines Hauses und seiner Gäste, die man von ihm wissen wollte, ausplaudern würde
    - und sogar solche, nach denen keiner fragte.
    »Bleiben Sie hier und behalten Sie ihn im Auge«, wies Judith den Kutscher an, ihre Pistole aus der Tasche ziehend. »Falls ich Sie brauche, werde ich laut rufen.«
    »In Ordnung, Lady«, sagte der Kutscher. »Können gut mit dem Schießprügel umgehen, was?«
    »Ziemlich gut«, erwiderte Judith.
    Sie raffte ihre Röcke zusammen und rannte zum Stallgebäude, ohne die geringste Ahnung, was sie dort vorfinden würde. Im Innern des dunklen, nach Mist riechenden Gebäudes blieb sie stehen und blickte sich um. Dann hörte sie Harriets Schrei und das abscheuliche Zischen und Knallen einer Peitsche.
    Sie stürzte die Treppenstufen hinauf, stolperte, rappelte sich wieder auf und stieß die Tür am obersten Treppenabsatz auf. Ihre Augen, daran gewöhnt, ein halbes Dutzend Kartenblätter gleichzeitig zu überblicken und richtig einzuschätzen, registrierten die Szene mit einem Blick: Agnes Barret, die mit erhobener Pistole dastand und auf Marcus zielte, die beiden Männer, die einander umklammert hielten und um den Besitz der Peitsche kämpften, Harriet, gelähmt vor Schrecken, den Mund sperrangelweit offen, aus dem aber jetzt kein Laut entschlüpfte.
    Judith hielt nicht erst inne, um zu überlegen. Sie feuerte ihre Waffe ab, und die Pistole flog in hohem Bogen aus Agnes' Griff. Agnes betrachtete dumpf die Hand, die die Waffe gehalten hatte. Blut quoll aus dem zerfetzten Fleisch und tropfte auf den Fußboden.
    »Großer Gott im Himmel!« keuchte Marcus, die Peitsche aus Gracemeres abrupt erschlafftem Griff windend.
    Judith machte einen Satz durch den Raum, um Agnes' Pistole aufzuheben. Sie richtete sie auf Gracemere und blickte dann Marcus zum ersten Mal richtig an.
    »Interessantes Ziel, das du dir da ausgesucht hast«, bemerkte er. »Aber ich weiß nicht, warum mich das überraschen sollte.«
    Eine Antwort schien nicht erforderlich, und Judith schaute zu der Wandbank hinüber, wo Harriet saß, die jetzt höchst verwirrt aussah. »Harriet...«
    »Sie ist verängstigt, hat aber keinen ernsthaften Schaden erlitten«, sagte Marcus. »Was mich viel mehr interessiert, ist, was zum Teufel du hier zu suchen hast.« Er zog sein Taschentuch heraus und ging zu Agnes, die immer noch ungläubig auf das Blut starrte, das von ihrer Hand tropfte.
    »Du kannst von Glück reden, daß ich hier bin«, gab Judith recht scharf zurück. »Du hast doch nicht im
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