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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz
Autoren: Jane Feather
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nicht geschnappt haben.«
    Der Wirt trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und betrachtete Marcus mit einer berechnenden Verstohlenheit, die ein gewisses Maß an Furcht enthielt. »Was kann ich für Sie tun, Mylord?«
    »Das gleiche wie schon einmal«, erwiderte Marcus. »Nichts, was besondere Umstände machen würde, Winkler. Ihre... Ihre Gäste sind wie üblich in dem Zimmer über den Ställen zu finden, wie ich annehme?«
    Der Wirt leckte sich die Lippen und blickte sich ängstlich um, als erwartete er, einen Ordnungshüter aus dem Staub in der Ecke des Flurs aufspringen zu sehen. »Wenn Sie es sagen, Mylord.«
    »Das tue ich«, erwiderte Marcus trocken und machte auf dem Absatz kehrt. »Oh, und sollten Sie irgendwelche ungebührlichen Geräusche vernehmen, werden Sie sie ganz sicher ignorieren, nicht wahr? Ich weiß, wie taub Sie sind, Winkler.«
    Der Wirt wischte sich mit seiner Schürze den Schweiß von der Stirn. »Ganz wie Sie wünschen, Mylord.«
    »Recht so.« Marcus lächelte betont umgänglich und ging dann wieder hinaus. Er überquerte den Hof auf der Rückseite des Hauses. Der Stall war ein massives Backsteingebäude am Ende des Hofes. Unter seinem schrägen Dach befanden sich zwei miteinander verbundene Zimmer, verfügbar für jene, die von ihrer Existenz wußten und für ihre Benutzung kräftig zu zahlen imstande waren. Die diversen, meist verbrecherischen Mieter stellten niemals Fragen, und was sich innerhalb jener vier Wände abspielte, wußten nur diejenigen, die sich dort aufhielten. Bis jetzt schienen Winkler und seine Kunden der Aufmerksamkeit der Gesetzeshüter entkommen zu sein.
    Marcus blickte hinauf zu den vergitterten Fenstern mit den fest geschlossenen Vorhängen, bevor er das Haus betrat. Er sah keinerlei Bewegung hinter den Vorhängen und konnte auch keine Geräusche von Stimmen ausmachen, als er leise die Holztreppe am Ende des schwach beleuchteten Flures hinaufschlich. Vor der Tür am obersten Treppenabsatz blieb er stehen und lauschte. Sein Herz hatte plötzlich zu hämmern begonnen, und er begriff, daß er auf die Laute horchte, die er schon einmal hinter dieser Tür vernommen hatte. Jene Laute, die ihn dazu gebracht hatten, mit erhobener Peitsche ins Zimmer zu stürzen. Aber an diesem Nachmittag waren keine wimmernden Schreie zu hören. Ein Stuhl scharrte über den Holzfußboden, dann herrschte wieder Stille.
    Er drehte den Knauf, dann stieß er die Tür mit seiner Stiefelspitze auf.
    Gracemere sprang auf die Füße, einen wüsten Fluch auf den Lippen. Der Stuhl kippte um. »Sie!«
    »Sie haben mich doch sicher erwartet, Gracemere«, sagte Marcus. »Sie müssen doch wissen, daß ich meine Versprechungen immer halte.« Er blickte sich im Zimmer um. Die Vorhänge vor den Fenstern waren fest zugezogen, sperrten die Nachmittagssonne aus. Der Raum wurde von dicken Talglichtern und dem hellen Schein des Feuers im Kamin beleuchtet.
    Harriet hockte zusammengekrümmt auf einer hölzernen Bank neben dem Kamin. Beim Klang von Marcus' Stimme setzte sie sich mit einem Schrei auf und starrte ihn mit flackernden Augen an, als sei er eine Erscheinung. Ihre Lider waren vom Weinen geschwollen, ihr Haar zerzaust, ihr Ausdruck verzweifelt, aber Spuren von brutaler Gewaltanwendung konnte Marcus nicht an ihr entdecken.
    Er durchquerte rasch das Zimmer. »Sind Sie verletzt, Kind?«
    Sie schluckte, versuchte, den Kopf zu schütteln, dann brach sie in wildes Schluchzen aus, das sich zu einem hysterischen Weinkrampf zu steigern drohte.
    Marcus verschwendete keine Zeit damit, sie zu trösten. Er wandte sich wieder zu Gracemere um, der immer noch wie erstarrt dastand. »Dumm von Ihnen, hierher zurückzukommen, Gracemere. Aber eine Ratte zieht es ja gewöhnlich immer zu ihrem eigenen Dunghaufen zurück«, bemerkte er, einmal kräftig mit der Peitsche auf den Fußboden knallend. Sein Blick wanderte zu der Tür in der Mitte der Wand; er wußte von früher, daß sie diesen Raum mit dem Nebenzimmer verband. »Wo ist Lady Barret? Ich möchte, daß sie die nächsten paar Minuten miterlebt.«
    Gracemeres Gesicht war blutleer. Er blickte sich verzweifelt im Zimmer um und griff dann nach einem Brotmesser auf dem Tisch. Marcus' Peitsche knallte, die Lederschnur traf Gracemeres Fingerknöchel. Er stieß einen Schrei aus, in den sich Wut, Angst und Schmerz mischten, und riß seine Hand zurück.
    Marcus kam näher, ruhig und gelassen, als hätte er alle Zeit der Welt, den Blick starr auf Gracemeres Gesicht
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