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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade
Autoren: Cathy Lamb
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höchst ansteckender Spießgeselle, so ähnlich wie ein Geheimagent, der schreckliche Schäden hervorruft. Zu den Symptomen gehören –«
    »Bitte, Rosvita!« Der Küchenchef hob die Hände. »Wir wollen nicht über Herpes sprechen in einem Café, wo Pfannkuchen und Speck verkauft werden. Das ist schlecht für die Verdauung.« Ich merkte, dass der Koch Rosvita enorm anziehend fand, obwohl sie andauernd über Krankheiten sprach.
    Rosvita stützte die Hände in die Hüften. Presste die Lippen aufeinander. »Mein Bruder ist ein berühmter Strafverteidiger, und er kann dir sagen, dass es eine Menge Lokale gibt, die auf Unsummen von Geld verklagt wurden, weil sie die Kunden fahrlässig mit zig Krankheiten angesteckt haben –«
    Mit volltönender Stimme hob Donovan zu einer Arie an. Ich zuckte zusammen. Erst als Rosvita den Mund hielt, hörte Donovan wieder auf. »Meine liebe Rosvita, zeig doch Ms Stewart, wo du wohnst.«
    Sie musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle. »Kommen Sie mit!«
    Als wir gingen, schaute Donovan Rosvita schmachtend nach, breitete die Arme aus und ließ die nächste Arie über unerwiderte Liebe erschallen.
     
    Rosvitas Haus war nicht weit von der Hauptstraße entfernt. Es war hellblau gestrichen und hatte weiße Zierleisten. Vor jedem Fenster stand ein Kasten mit üppig wuchernden Blumen. Zum großen Hof gehörten eine weite Rasenfläche, einige alte Tannen und ein umzäunter Blumengarten. Rosvita ging mit mir hinter das Haus, wo einige Stufen zum Fluss hinabführten. Das Wasser war klar und schlug kleine Wellen, an beiden Ufern ragten Bäume auf, in deren Wipfeln das Sonnenlicht tanzte.
    Schweigend standen wir eine Weile da. Ich atmete durch. Noch immer brauchte ich einen Scotch, doch das sanfte Rauschen des Flusses kühlte meinen überhitzten Kopf.
    Rosvita setzte sich auf den Boden und nahm eine Yogastellung ein.
    Ach, egal! Ich ließ mich nieder, machte einen Schneidersitz, streckte die Hände aus. Zusammen atmeten wir tief ein und aus, und nach ungefähr einer halben Stunde kehrten wir zum Haus zurück. Das Wohnzimmer war freundlich und gemütlich, eingerichtet mit bequemen Möbeln, rund sechs verschiedenen Lampen mit ausgefallenen Schirmen, einer Menge Grünpflanzen und einer Tonne Bücher. Bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass alle Bücher etwas mit Krankheiten zu tun hatten:
    Moderne Krankheiten.
    Historische Krankheiten.
    Dschungelkrankheiten.
    Krankheiten in Kriegen und Hungersnöten.
    Krankheiten der Pioniere auf dem Oregon Trail.
    Ich zahlte im Voraus, noch bevor ich mein Zimmer gesehen hatte.
    »Das ist genau der richtige Ort, um meinen Nervenzusammenbruch zu pflegen«, sagte ich zu Rosvita.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, zog sie die Handschuhe aus und legte sie ordentlich in ein weißes, mit Spitze ausgeschlagenes Kästchen. »Das freut mich zu hören. Machen Sie einfach, was Sie tun müssen, und ich sorge dafür, dass es hier ruhig ist für Sie und Ihren Nervenzusammenbruch. Und sauber. Bei mir ist es immer sauber.«
    »Danke, Rosvita. Aber nur um Ihnen nichts zu verschweigen: Meine Nerven sind zerrüttet, meine Psyche wurde mit einem Pürierstab bearbeitet, meine Gefühle wurden durch den Fleischwolf gedreht. Ich weine bei jeder Gelegenheit, obwohl ich mich jetzt schon seit zwölf Jahren immer unglaublich zusammengerissen habe, nicht ständig loszuheulen. In der letzten Zeit habe ich chaotische, übereilte Entscheidungen getroffen, bis jetzt aber keine davon bereut. Ich habe festgestellt, dass ich eine rachsüchtige, gemeine Seite besitze, und begrüße sie fröhlich zusammen mit meinen übrigen Charakterzügen. Schlicht und einfach«, erklärte ich ihr, »ich hab sie nicht mehr alle.«
    Schweigend sannen wir eine Weile über meine Feststellung nach.
    »Gut«, sagte Rosvita. »Wenn Sie jetzt Ihre zerrütteten Nerven, Ihre pürierte Psyche und ihre durch den Fleischwolf gedrehten Gefühle zusammensuchen, kann ich Sie nach oben auf Ihr Zimmer bringen, wo Sie Ihren Nervenzusammenbruch pflegen können.« Damit drehte sie sich in ihren Cowboystiefeln um und stieg die Treppe hinauf. Rosvita erinnerte mich an die Toskana, an Flamencotänzer und Wattebäuschchen. Ich folgte ihr.
    Wenn es im Himmel einen Raum gibt, der hellblau und strahlend weiß ist, dann sieht er so aus wie mein Zimmer. Auf dem Bett lagen mindestens acht blaue und weiße Kopfkissen, dazu eine flauschige weiße Tagesdecke. Darüber spannte sich ein Baldachin aus weißer Spitze. Es gab zwei Nachttische aus
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