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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade
Autoren: Cathy Lamb
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eine Tamponmarke zum Hit gemacht hat? Dass die Vaginalcreme von Baucom jetzt von mehr Frauen als je zuvor benutzt wird? Dass überzuckerte Cornflakes jetzt einen Rekordabsatz haben, obwohl die Zähne der Kinder davon verfaulen? Und das alles nur, damit die paar dämlichen weißen Schlappschwänze oben an der Spitze noch reicher werden? Das ist doch sinnlos!«
    Ich schaute mich im Saal um. Ich muss sagen, alle sahen reichlich geplättet aus. Wenn Schnösel baff sind, wirken sie noch dämlicher.
    »Wir sind überflüssig«, sagte ich und holte tief Luft. »Total überflüssig. Das Leben hat mehr zu bieten als das hier.« Ich weinte ein wenig. Um meine Mutter, um mich selbst, um die verfluchte Anklage wegen Körperverletzung und um die schockierende Erkenntnis, dass ich in meinem gesamten Leben nichts Lohnendes getan hatte. Ich war nun fast vierzig Jahre alt und hatte nichts Sinnvolles getan. Null.
    Nun ja, ich hatte meinen Ex verletzt und gedemütigt, aber das zählte wohl nicht. Abermals musste ich lachen. Schnell war ich wieder bei der Sache. »Es gibt Schöneres im Leben, als sich zu überlegen, wie man Frauen dazu bringt, ein bestimmtes Medikament gegen Pilzinfektionen zu kaufen. Es muss einfach Schöneres geben.«
    Ich dachte an meine Mutter und den Arzt, der ihr unter gewaltigem Kraftaufwand einen Schlauch in den Hals geschoben hatte, damit sie friedlicher sterben konnte. Ich dachte an all die anderen Ärzte und Krankenschwestern, die so verzweifelt zu helfen versucht hatten.
    Diese Menschen hatten etwas Sinnvolles getan. Sie hatten versucht, das Leben meiner Mutter zu retten. Ich hatte nur versucht, erschöpfte Mamis aus Vorstadtsiedlungen zu überzeugen, ihren Kindern zum Frühstück einen ungesunden, kariesverursachenden Dreck zu kaufen.
    »Das Leben hat mehr zu bieten als Tamponwerbung.« Ich sprach so leise, dass ich mich selbst kaum verstand, doch schienen die Worte von den Wänden des Saals wie Donner widerzuhallen.
    Und dann ging ich, stolzierte in meinen blauen Stilettos mit den winzigen Goldkettchen von der Bühne direkt durch die Tür zu meinem Auto, einem teuren, tiefergelegten, röhrenden Flitzer.
    Ohne jegliches Bedauern verkaufte ich ihn auf dem Heimweg und holte mir dafür einen großen fetten Bronco mit Anhänger. Den Rest des Geldes steckte ich ein. Mit dem Handy rief ich meine Freundin Joyce Herber an, eine Immobilienmaklerin, und beauftragte sie, mein Haus in Chicago zu verkaufen. Danach rief ich einen Mann namens Isaac Porter an, der Haushaltsauflösungen durchführte, und wies ihn an, mein Hab und Gut unter die Leute zu bringen. All meine Sachen waren edel und schick, ich konnte sie nicht mehr sehen. Dann rief ich meinen Anwalt an, Roy Sass, den Freund meiner Mutter. Er bat mich, mit ihm in Kontakt zu bleiben wegen meines kleinen Problems mit der Polizei. Außerdem riet er mir, mich zu der vom Gericht angeordneten Aggressionsbewältigungstherapie anzumelden, um zu beweisen, dass es mir ernst sei mit der Verbesserung meines Verhaltens.
    Zu Hause packte ich alles, was ich mitnehmen wollte, in Transportkisten und lud sie in den Anhänger und den Kofferraum des Broncos, auch meine verrückte Schuhsammlung und die in mühsamer Kleinarbeit gestalteten Fotoalben mit Bildern von meiner Mutter und Roy, meinem Bruder Charlie und seiner Familie.
    Ich packte die Teetassensammlung meiner Großmutter ein, das Porzellan meiner Mutter und mehrere Kacheln mit Obstkorbmotiven. Ich nahm die Geige, die ich ganz hinten in meinem Kleiderschrank versteckt hatte. Brennend heiße Tränen liefen mir die Wangen hinunter. Dann griff ich zu der Goldkette mit dem Delphinanhänger, die mir mein Vater zwei Wochen vor seinem Herzinfarkt geschenkt hatte. Damals war ich zwölf. Um Mitternacht verließ ich Chicago, und der Mond stand strahlend hell am Himmel.
    Ich fuhr zum Grab meiner Mutter und weinte eine lange Zeit. Die Nacht war dunkel und mild, es war nicht unheimlich auf dem Friedhof. Dann fuhr ich von Chicago in Richtung Oregon. Mein Bruder Charlie wohnt in Portland, Oregon.
    Zusammen mit meinem Wahnsinn machte ich mich auf die Reise. Wir waren eins. Ich trug meine Delphinkette um den Hals. Mein Nervenzusammenbruch machte mich nervös, ich riss mich zusammen.
    Ich überlegte, ob es in Portland wohl einen Aggressionsbewältigungskurs gab.
    »Egal«, rief ich laut, »ist doch piepegal!« Und da mein Leben momentan ziemlich beschissen war, schrie ich aus vollem Halse: »Scheiße!« Vielleicht würde ich einfach Schluss
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