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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday
Autoren: R. Scott Reiss
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Lewis zwingt sich zu langsamen Bewegungen, um Fehler zu vermeiden. Zuerst zieht er sich die falschen Haare vom Kopf und verwandelt sich von einem Mann mit braunem, schütterem Haar in einen Blondschopf.
    Verdammt, wie viele Perücken mit so großen Geheimratsecken werden wohl hergestellt? Nicht viele, denkt er.
    Er zieht seine unscheinbare, schlecht sitzende blaue Jacke aus, ebenso Hemd und Krawatte, und darunter kommt ein weißes, zerknittertes Tennishemd zum Vorschein. Der Luftballon, der einen Bauch vorgetäuscht hat, folgt als Nächstes. Dann die schwarze Brille. Er kann wieder perfekt sehen. Er richtet sich zu voller Größe auf, was mindestens fünf Zentimeter ausmacht. Schluss mit der gebeugten Haltung, den künstlich aufgepolsterten Wangen und dem Schnurrbart.
    Aus seiner Tasche zieht er einen zusammengefalteten, hauchdünnen Nylonrucksack und verstaut darin die Requisiten. Die Hose und die Schuhe mit den dicken Gummisohlen behält er an.
    Die 9-mm-Glock schmiegt sich unter dem Hemd an seinen Rücken.
    Knapp drei Minuten nachdem der »Tourist« von Anfang vierzig mit den Geheimratsecken in der zweiten Kabine verschwunden ist, verlässt ein gesunder, braun gebrannter, gut aussehender, blauäugiger Sunnyboy die Herrentoilette – der wirkliche Lewis – und betritt das Kasino. Robert Grady ist gerade vom Blackjacktisch aufgestanden und sammelt seine Chips ein.
    Lewis folgt ihm wieder nach draußen, verlangsamt seine Schritte, um sich Gradys Tempo anzupassen, wirft den Rucksack im Vorbeigehen in eine Mülltonne, was einen Aasgeier – einen von diesen Pennern, die überall in Las Vegas herumlungern – herbeilockt, der darin etwas zu finden hofft, was sich verscherbeln lässt.
    Ich bin gespannt, was nach 0 Uhr 14 passieren wird.
    22 Uhr 59
    Bobby Grady ist immer noch unterwegs.
    Unglaublich. Braucht der Typ keine Pause? Seit Stunden rennt er in Kasinos, verliert Tausende von Dollars beim Blackjack, Craps, Baccarat und bei Sportwetten. Mittlerweile war er im Palace Station und im New Frontier.
    Woher hat ein Student so viel Geld?
    Der Kerl benimmt sich wie in Trance. Er spielt und lässt sich treiben. Spielt und geht weiter. Wenn er verloren hat, sieht er sich draußen irgendwelche Shows an. Am Venetian Hotel mit den nachgebauten venezianischen Kanälen hat er eine ganze Weile gesessen und zugesehen, wie »Gondolieri« Touristen über einen »Kanal« staken, die anscheinend glauben, diese absurde Imitation hätte etwas mit der Realität zu tun.
    Schon wieder Wasser, denkt Lewis angewidert, während er Grady an sprudelnden Wasserfontänen vorbei zum Kasino Bellagio folgt. Die Fontänen schwingen zu den Klängen von »The Star-Spangled Banner« hin und her wie bei einer Tanzchoreographie. Es ist schon komisch. In einer Wüstenstadt, in der es um nichts anderes geht als ums Geldausgeben, besteht die wichtigste Touristenattraktion, der märchenhafteste Teil der meisten Shows, aus klarem Wasser.
    23 Uhr 10.
    Noch eine Stunde und vier Minuten.
    Robert Grady spaziert in den nebligkühlen tropischen Garten des Hotels. Er bleibt stehen, um mit leerem Blick den gigantischen mechanischen Weißkopfadler anzustarren, angeblich eine Inkarnation des Patriotismus, dessen riesiger Kopf sich hin- und herdreht und dessen ruckartige Bewegungen Lewis an die roboterhaften Dinosaurier in Filmen aus den fünfziger Jahren erinnern. Im Flüchtlingslager hat er als Junge viele alte amerikanische Filme gesehen.
    Achtung. Grady sucht eine Toilette auf.
    Lewis folgt ihm.
    Er fährt sich mit der Hand an den Rücken, fühlt das Messer.
    Aus der Herrentoilette ist dröhnendes Gelächter zu hören, und als er eintritt, steht ein halbes Dutzend bulliger Typen -Cops, nach ihrer Statur und dem Haarschnitt zu urteilen – vor dem Waschbecken. Sie tragen Namensschilder, offenbar Teilnehmer einer Tagung.
    »Wann sind Sie zum FBI gekommen?«, fragt ein Mann einen anderen.
    Verdammt!
    Um 23 Uhr 24 verlässt Bobby die Toilette und reibt sich den Bauch, als hätte er Magenschmerzen.
    23 Uhr 30.
    Selbst wenn ich es in aller Öffentlichkeit tun muss, werde ich es tun.
    Robert Grady dreht sich um und verlässt das Kasino, wendet sich in Richtung seines Hotels und geht vorbei an Pizzaläden und Hamburgerbuden für weniger betuchte Touristen. Der Gehweg ist übersät mit achtlos weggeworfenen Visitenkarten, auf denen Telefonnummern von Prostituierten stehen und die von illegalen Immigranten aus Mexiko verteilt werden.
    Er geht zurück ins New York-New
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