Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Die Tür krachte zu. Peter schüttelte den Kopf. Das erst für blödsinnig gehaltene Spiel begann ernsthaft und wirklich seelisch entblößend zu werden. Eifersüchtige Anwandlungen bei Sabine waren ihm neu, jetzt entdeckte er sie. Und er entdeckte noch mehr: Er spürte, daß es ihm durchaus nicht gleichgültig war, wo Sabine die sechs Wochen verbrachte. Und gar nicht gefiel ihm der Gedanke, daß sie ihm nicht erzählen würde, was sie in diesen Wochen des Alleinseins erlebt hatte. Schon das Bewußtsein, daß sie etwas erleben konnte, was sie nicht erzählen würde, nagte an seinen Nerven wie eine Maus am Speck.
    Man muß da etwas erfinden, dachte Peter Sacher und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er knipste die Tischlampe an und starrte auf die aufgeschlagene Briefmappe. Was kann so alles passieren, wenn eine Frau allein verreist. Und Sabine ist eine Frau, die man nicht übersieht.
    Der Widersinn seiner Gedanken zu der Tatsache seiner Ehe wurde ihm nicht bewußt. Ein Zurück von Sabines Plan gab es nicht, aber dem Schicksal allein mißtraute Peter Sacher ebenso sehr wie der stillen eigenen Versicherung, daß es vielleicht ohne dieses amerikanische Experiment gehen würde, wenn man sich Mühe gab.
    »Sei es also!« sagte er zu sich. Er nahm einen Bogen aus der Schreibmappe und begann zu schreiben:
    Monsieur Heinz v. Kletow Paris 23. Rue de Sèvres.

Mein lieber Heinerich!
Nach siebenjähriger Ehe, zermürbt vom Lebenskampf, ergraut in den Schlachten um das tägliche Mischbrot, gebeugt unter der Last der Schul den und der Erkenntnis, daß Ruhe der Stein der Weisen im Leben eines Lebemannes ist, empfehle ich meinen armen Körper Deiner sorgenden Obhut.
    Ich werde am 10. dieses heißen Monats an der Schwelle Deiner Bruch bude stehen und wie ein Clochard sagen: »Bitte gib mir ein paar Tage Sonnenschein.«
    Wir haben uns jetzt drei Jahre nicht gesehen. Was mich mit Dir ver bindet, ist die Erinnerung an eine fürchterlich durchsoffene Nacht, in der ich Dich wie einen Mehlsack auf der Schulter ins Hotel schleppte. Am nächsten Morgen mußte ich die Bettwäsche ersetzen.
    Bereite Dich also vor: Stelle einen Kognak zurecht! Vergiß nicht die Hummermayonnaise, die frischen Artischocken, das Billett für die Fo lies-Bergère. Wirf Deine Geliebten für sechs Wochen hinaus. Kehre Dein Zimmer von den Überresten der Orgien frei und kauf Dir einen neuen Kragen. Nur eines tue nicht: Sammle nicht die unbezahlten Rechnungen und lege sie mir vor.
    Wie gesagt: Am 10. Juli – frisch, fromm, fröhlich, frei am Gare du Nord.
    Erwarte mit Bangen
    immer Dein Peterchen.
    Da die Möglichkeit, den Brief um diese späte Zeit aufzugeben, nicht mehr vorhanden war, schloß er ihn in den Wandtresor und stellte das Kombinationsschloß auf das Kennwort ›Paris‹ ein. Zufrieden zündete er sich dann eine Zigarette an, setzte sich in einen Korbsessel auf der Terrasse, streckte die Beine von sich und sah auf den trä ge fließenden, nächtlichen Rhein mit seinen an die Ufer veranker ten Schleppkähnen, deren Positionslichter aussahen wie riesige Glühwürmchen.
    Peter Sacher träumte von Paris. Der Gedanke, zu Heinz v. Kletow zu fahren, war ihm so plötzlich gekommen wie der leise Schock, der Sabines Vorschlag von den getrennten sechs Wochen in ihm erzeugte. Bei Heinz konnte man sich einmal sechs Wochen ausspannen, nichts tun, an nichts denken, sich auf das besinnen, was man falsch gemacht hatte, und sich vornehmen, es richtig zu tun. Man konnte in guten Vorsätzen schwelgen, die man meistens vergessen würde, wenn man wieder in die altgewohnte Umgebung zurückkehrte.
    Es war gut, wieder einmal zu träumen. Wie selten träumt der Mensch unserer Tage. Er hat es verlernt in der Automation seines Lebens. Die Maschine träumt für ihn.
    Als er die Zigarette zu Ende geraucht hatte, trat er den Rest auf den Steinplatten aus (Sabine würde morgen wieder über den schwarzen Fleck schimpfen!) und ging ins Haus zurück. Vor Sabines Zimmer verhielt er einen Augenblick den Schritt und hob die Hand, um die Klinke herunterzudrücken. Aber dann schüttelte er leicht den Kopf und ging weiter in seinen eigenen Schlafraum.
    Hinter der Tür stand Sabine und wartete. Sie hörte Peter kommen, sie vernahm sein Anhalten vor ihrer Tür. Wenn sie sich öffnet, können wir uns sechs Wochen Qual ersparen, dachte sie glücklich. Bitte, bitte, öffne die Tür. Und dann ging Peter vorbei, und die Tür seines Schlafzimmers schlug zu.
    »Er betrügt mich«, sagte Sabine leise.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher