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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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reagiere. Er antwortete schnell und selbstverständlich:
    »Ich habe nie ein schlechtes Gewissen, wenn ich weg bin, aber du hast so viele Schuldgefühle, dass du fast kotzen musst. Und Sigge spürt dein schlechtes Gewissen, es bestätigt ihm, dass er im Recht ist, wenn er böse auf dich ist.«
    Ich stand eine ganze Weile schweigend da und starrte ins Leere.
    So schrecklich selbstverständlich.
    Das Merkwürdige ist, dass mein ganzes Leben, die ganze Welt voll von solchen verwirrenden Paradoxen ist.
    Und ich versuche, mich nicht mehr so schuldig zu fühlen, aber es sitzt fest, tief und unerreichbar.
    Am Flughafen Arlanda war schon alles geöffnet, die Leute schlenderten durch die Geschäfte und kauften Parfüms, Schnaps und Süßigkeiten, obwohl es erst halb sechs am Morgen war. Ich auch. Ich überlegte einen Moment, ob ich mich zu den Männern in die »Swedish Wodka Bar« setzen sollte und einen Wodka mit Eis bestellen. Mich betrinken und so tun, als sei ich weltgewandt und Single und nicht die verheiratete, ausgebrannte Mutter eines Kleinkinds. Aber der Zeitungskiosk mit den Zeitungen und dem Mineralwasser war schließlich verlockender.
    Ich wurde die ganze Zeit an alles erinnert, was ich nicht fühlte, was ich nicht wollte. Ich dachte an Isadora und überlegte, wie es wohl wäre, ein bisschen mehr wie sie zu sein. Ein bisschen geiler auf alle möglichen Männer. Auch wenn das noch mehr Schuldgefühle und Angst bedeuten würde. Lieber Angst als dieses Nichts.
    Isadora verguckt sich in fremde Männer. Starrt die Ausbuchtung ihrer Hosen an. Fantasiert, wie sie wohl im Bett sind. Sitzt in einem Zug und vögelt den Mann gegenüber mit den Augen. Voller Schuldgefühle, aber doch wunderbar geil.
Und was sollte man anfangen mit all dieser anderen Sehnsucht, die die Ehe erstickte?
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich eine zu große Sehnsucht hatte, die mich in alle möglichen Richtungen zerrte. Eine Sehnsucht, die so groß war, dass sie mich emotionslos machte.
    Ich stand da am Kiosk und blätterte in den Zeitschriften, und egal welche ich mir aussuchen würde, sie würde mich unglücklich machen. Ich sah, wie sie ihre traurige Botschaft herausschrien, über Schönheit, Hässlichkeit, Idealgewicht, Idealgewicht und noch mal Idealgewicht. In den Sport- und Motorzeitungen für Männer gab es nichts Derartiges, und als mir das klar wurde, spürte ich den wohlbekannten Neid. Der mich langsam, aber sicher bitterfotzig werden ließ.
    Mindestens vier Hochzeitszeitschriften kämpften um den Platz auf dem Zeitungsständer, und ich wünschte, es wäre 1975 und nicht 2005. Dass ich Isadora hieße und eine freie Frau in New York wäre und nicht eine langweilige Mutter aus Stockholm. Oder wenigstens eine Karrierefrau ohne das kleinste bisschen schlechtes Gewissen.
    Wir sind einfach durch und durch angeschmiert. Das wurde mir auch von einer Zeitschriften-Queen bestätigt, als ich sie einmal interviewen durfte. Sie hat mehrere große Frauenzeitschriften gegründet, sie zierte die Cover sowohl mit ihrem Bild als auch mit ihrem Namen, und über einem Teller Nudeln mit Pfifferlingen erzählte sie fröhlich, wie toll die 70er-Jahre waren.
    »Wir haben uns nicht um unser Gewicht und so gekümmert. Was Cellulitis war, wussten wir noch gar nicht.« Sie verstand überhaupt nicht, warum ich so empört war, und ich glaube, sie benützte das Wort bitter, während sie ihre Zeitschriften verteidigte.
    »Warum bist du denn so bitter?«, sagte sie.
    Es ist irgendwie schon unglaublich: Hier saß eine Frau, die mit ihren Zeitschriften eine ganze Generation von schwedischen Frauen darüber aufgeklärt hat, was Cellulitis ist, wie man sie loswird und wie man dabei auch noch zehn Kilo abnimmt, und erzählt mir, wie viel toller die 70er-Jahre waren, als man an all so was nicht denken musste.
    Doch, wir sind bitter. Ich zumindest.
    Ich kaufte keine Zeitschrift, ich hatte ja meine Isadora mit Angst vorm Fliegen. Sie bringt mich wenigstens zum Lachen.
    Nina Simone singt durch den Kopfhörer, und der Pilot hat uns gerade mitgeteilt, dass wir mehrere Tausend Meter hoch in der Luft sind, der Gedanke an das Alleinsein, das mich erwartet, lässt mich breit lächeln. Ich bin doch nicht durch und durch bitter. Ich lasse immerhin teilweise meinen Tagtraum vom Alleinsein und Schlafen Wirklichkeit werden.
    Gleichzeitig nagt das schlechte Gewissen an mir, alle uralten Tabus.
    Warum wirken egoistische Frauen nur so schrecklich unanständig, während Egoismus bei
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