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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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70er-Jahren.
    Deshalb lese ich immer wieder Angst vorm Fliegen, deshalb beschäftige ich mich mit Suzanne Brøggers Verzweiflung über die Kleinfamilie, als ob es meine eigene wäre. Und ich erkenne, dass es meine eigene ist.
    Ich kenne keine glücklichen Familien oder Ehen. Keine. Keine in meiner Nähe, Großmütter, Großväter, Mutter, Vater, Tanten und Onkel, Freunde. Alle unglücklich verheiratet. Betrogen vom Mythos der Liebe.
    Mein armer Kopf ist vollgestopft mit falscher Liebe.
    In mir wohnt eine Lill-Babs-Frau. Eine Sue-Ellen-Frau mit Schmollmund, der immer zittert, wenn ihr JR – Mann sie enttäuscht. Lill Babs und Sue Ellen sind müde, langweilig und ziemlich traurig, aber nie wütend. Nippen nur am Sekt und werden gerade so betrunken, dass sie zischen können: Ich hasse dich. Gerade so laut, dass der JR – Mann sie nicht hört.
    Mein armer Kopf ist so voller Bilder, die jeden Funken von echtem Gefühl verdrängen. Wenn Bilder erzählen, wie die Liebe schmecken soll, kann man nicht selber spüren, ob sie sauer ist. Oder salzig. Oder süß.
    Die Vorgeschichte ist vielleicht romantisch und voller lustiger und halbwegs dramatischer Begegnungen und Verwechslungen. Voller Begehren, aber dann. Dann wird alles still, und man kämpft verzweifelt darum, dass es weiter so aussieht, als sei alles heilig und herrlich. Und niemand, nicht einmal deine besten Freundinnen, sprechen mit dir über den Schmerz. Den richtigen Schmerz, nicht zu verwechseln mit dem falschen Klagelied, das Frauen sich bisweilen vorsingen. Dieses oberflächliche Gerede, wie unmöglich ihre Männer sind, und dabei kochen sie immer noch jede Mahlzeit, putzen die ganze Wohnung und kümmern sich um die Kinder. Ein Gejammer, das vielleicht Ausdruck ist für den wirklichen Schmerz, der darunter liegt und schwelt und Krebs verursacht. Ein Gejammer, das jedoch nicht den großen Zorn auslöst und die richtigen Veränderungen in Gang setzt. Ein Gejammer, das nur ein Ventil ist und dazu führt, dass die Frauen weiterhin ihr Leben und ihren Intellekt vernachlässigen und ihre ganze Energie auf ihre Männer richten.
    Der richtige Schmerz führt dazu, dass du dich fragst, ob du glücklicher wärst, wenn du dich für ein anderes Leben entschieden hättest.
    Er bringt dich dazu, dich umzuschauen und dich zu fragen, ob mit dir etwas nicht stimmt. Ob dir etwas entgangen ist, was alle anderen verstanden haben. Bis du begreifst, dass das donnernde Schweigen daher rührt, dass alle anderen vollauf damit beschäftigt sind, die eigenen Liebeslügen zu pflegen.
    Ich versuche zu verstehen, was Brøgger eigentlich sagen will, wenn sie schreibt:
Das Problem mit der Ehe stammt aus der Zeit, als die Liebe ins Spiel kam, was überhaupt nicht so gedacht war. Daher das Elend.
    Vielleicht war es einfacher, solange die Ehe eine Übereinkunft war, ein Geschäft, in aller Freundschaft.
    Da gab es auf jeden Fall keine romantischen Erwartungen. Aber in dem Moment, als die Romantik und der Mythos von der Liebe auf den Plan traten und sich die Zweisamkeit patentieren ließen, kam auch die Enttäuschung. Vielleicht wurde da die freie Liebe gekidnappt? Zu etwas gemacht, was nur noch für zwei galt, Mann und Frau? Die Zweisamkeit, schreibt Brøgger, ist eine organisierte Form des nicht gelebten Lebens. Eine Reihe von Nicht-Begegnungen. Es gehört zum Schönsten, was ich je gelesen habe.
    Wenn ich doch wenigstens eine frömmelnde, dämlichglückliche Ehefrau und Mutter wäre. Aber ich laufe mit einem Bild von mir herum, das meinem Leben um 1994 gleicht, ehe ich Johan traf, und das ist verheerend. Partys so viele ich wollte, jede Menge Männer, Zeit, Schlaf und Freiheit. Genauso verheerend ist es, ständig von den 70er-Jahren zu träumen. Wenn die Kluft zwischen den Tagträumen und der Wirklichkeit zu groß wird, dann wird man bitterfotzig. Ich versuche dagegen anzugehen, aber das Problem ist, dass es eine ganze Reihe von Gründen gibt, an denen man einfach nicht vorbeikommt.
    Gründe, die alle zu bitterfotzigen Analysen führen. Ich lese und höre nur Fakten, die gleichsam konspiratorisch das bestätigen, was ich bereits ahnte.
    Außerdem ist Januar, ich bin dreißig, Mutter eines kleinen Kindes und seit sieben Jahren verheiratet.
    Sieben Jahre! Und alles ist wie abgeschaltet. Und ich hasse den Januar. Ich hasse ihn wirklich.
    Das Einzige, was für eine Weile hilft, ist ein heißes Bad. Vier Wochen lang habe ich jeden Abend meinen Körper in das heiße Wasser der Badewanne gleiten
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