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Bitter im Abgang

Bitter im Abgang

Titel: Bitter im Abgang
Autoren: Aldo Cazzullo
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sein angesichts dieses dreisten Verhaltens, das fast an Unverschämtheit grenzte. Den Journalisten, die vor dem Polizeipräsidium warteten, sagte er kein Wort, nachdem er die Nachricht von dem neuen Mordfall ins Netz gestellt hatte, womit auch der Krimi um Moresco gelöst war. «Signor Rinaldi, ein Mann, der soeben einen Mord begangen hat, womöglich den zweiten innerhalb von drei Tagen, verhält sich nicht wie Sie. Sie tun ja gerade so, als könnten Sie ein Verdienst für sich in Anspruch nehmen.»
    «Ich habe Alba von einem Mann befreit, der das Leben nicht verdient hatte.»
    «Sie haben keinerlei Verdienst», wiederholte der Inspektor, als hätte der andere gar nichts gesagt. «Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so weit gehen würden. Dabei hätte ich Vergnano schützen müssen.»
    «Ja, es ist Ihre Schuld, Herr Inspektor. Sie haben Vergnano geglaubt. Sie haben einem Mörder vertraut, und nicht seinen Opfern.»
    «Hier gibt es nur einen Mörder, Rinaldi. Und das sind Sie.»
    «Alberto. Alle nennen mich Alberto.»
    «Rinaldi, wer hat Moresco ermordet?»
    «Warum fragen Sie mich Dinge, die Sie längst wissen?»
    «Wer hat Moresco ermordet?»
    Alberto murmelte etwas auf Piemontesisch.
    Zum ersten Mal seit drei Tagen wurde der Inspektor laut: «Rede gefälligst italienisch!»
    «Deine Sache, wenn du kein Piemontesisch verstehst. Lass einen Dolmetscher kommen, so wie in Sizilien, wenn ihr Mafiosi verhört.»
    Nun schaltete sich der Kommissar ein, der in der anderen Ecke des Raumes rauchte, und brachte die beiden Streithähne auseinander.
    «Rinaldi, ich habe den Eindruck, Sie wollten unsnoch etwas sagen. Egal, ob auf Italienisch oder im Dialekt. Aber sagen Sie es uns.»
    «Dann sage ich es jetzt. Ich war es. Ich habe Moresco ermordet mit einem Schuss ins Herz, mit einem Jagdgewehr. Und Vergnano mit meinem alten Partisanengewehr. Sonderbehandlung. Wie in alten Zeiten.»
    «Verstehe ich nicht. Wieso Moresco?»
    «Weil ich ihm versprochen hatte, es eines Tages zu tun. Und er wusste, dass ich meine Versprechen halte.»
    «Aber warum ausgerechnet jetzt? Warum wollten Sie jetzt alte Rechnungen begleichen, die …» – der Inspektor machte eine Pause, bis er die richtige Jahreszahl im Kopf ausgerechnet hatte – «Sechsundsechzig Jahre zurückliegen?»
    «Weil ich jetzt erfahren habe, dass ich schwer krank bin und bald sterben werde. Und da habe ich mir gesagt, jetzt oder nie.»
    «Aber bei Moresco hast du es heimlich getan. Anfänglich sah es nicht einmal nach einem Mord aus. Bei Vergnano hingegen am helllichten Tag, und danach hast du dich sofort gestellt. Warum?»
    «Weil Moresco ein Partisan war, ein Dieb und Verräter, aber immerhin ein Partisan. Er war mein Freund. Aber er war auch ein mächtiger Mann, an den man nur schwer herankam; er war selten allein, immer mit anderen zusammen. Außerdem wollte ich nicht, dassVittoria dabei ist oder das Kind.»
    «Welches Kind?»
    «Ihr Sohn.»
    «Aber der ist doch schon siebenundvierzig!»
    «Wen man von Geburt an kennt, der bleibt immer ein Kind. Deshalb bin ich Moresco gefolgt, als er das Haus verlassen hat, im Morgengrauen. Ich kenne die Stellen, wo er nach schwarzen Trüffeln sucht. Die Wälder von Costamagna kenne ich besser als er. Deshalb wusste ich, wo ich ihn abpassen konnte.»
    «Und Vergnano?»
    «Vergnano ist ein anderer Fall. Er war Faschist. Er hat vergewaltigt und gefoltert. Als du vor ein paar Tagen bei mir warst, wusste ich, dass du mir auf die Schliche gekommen bist. Dass du mich früher oder später wegen Moresco verhaften würdest. Und dass mir nicht mehr viel Zeit blieb.»
    «Und das deutsche Offiziersabzeichen bei der Leiche?»
    «Das war meins.»
    Der Inspektor schien keineswegs überzeugt.
    «Rinaldi, ich verstehe immer noch nicht. Du bist doch kein Ganove. Du bist ein angesehener Mann in der Stadt, einer, der im Befreiungskrieg ausgezeichnet wurde! Und an deinem Lebensende bringst du zwei Männer um, die so alt sind wie du selbst, und landest als Mörder auf der Titelseite der Zeitung?»
    «Im Krieg hat man mir beigebracht, dass es nicht auf das Töten ankommt, sondern darauf, wen du tötest.» Aber der Inspektor hatte den wunden Punkt getroffen und ließ nicht mehr locker.
    «Die Sache mit dem Faschisten kann ich nachvollziehen, nach deiner Logik. Aber Moresco?»
    «Wer ihn umgebracht hat, hat nichts Schlechtes getan.» Dann grinste Alberto. Er gab zu verstehen, dass er zu seinen Verbrechen nichts mehr sagen würde. Stattdessen
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