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Bissige Gäste im Anflug

Bissige Gäste im Anflug

Titel: Bissige Gäste im Anflug
Autoren: Franziska Gehm
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aus, wie Helene sie von den Fotos kannte. Sie war jung und fröhlich. Ihre Augen blitzten blau und frech. Genau wie Helenes Augen. »Ich glaube, ich muss den Nebelgeist gar nicht suchen. Meine Mama ist sowieso immer bei mir. Sie ist hier drin. Überall.« Helene legte sich die flache Hand auf den Oberkörper.
    Ludo nickte. Er war froh, dass Helenes Augen wieder glänzten. Nicht mehr vor Tränen.
    Helene rutschte von dem Kistenstapel. Ihre Beine waren noch ganz weich. Nach dieser Geistergeschichte würden sie es auch noch eine ganze Weile bleiben. »Gehen wir zu den anderen«, sagte Helene. Ihre Stimme klang noch immer belegt. »Daka und Silvania flopsen vor Neugierde bestimmt schon im Kreis.«
    »Du willst es ihnen erzählen?«
    Helene zuckte die Schultern. »Vielleicht nicht jetzt gleich. Aber irgendwann schon.«
    Ludo nickte. Er ließ sich von Helene vom Stapel ziehen und gemeinsam gingen sie über das Großmarkthallengelände Richtung Ausgang.

Kinder sind
grausam
    D irk van Kombast stöhnte. Er hatte sein Bestes gegeben. Er war gekrochen. Gerobbt. Gekrabbelt. Dennoch hatte er es nur bis zur Einfahrt der nächsten Lagerhalle gebracht. Bei dem Versuch, sich aufzurichten, war ihm sein Handy aus der Jackentasche gefallen. Wie ein Puck auf dem Eis war es über den glatten Betonboden geschlittert und erst ein paar Schritte entfernt zum Liegen gekommen.
    Jetzt lag es genauso reglos da wie der Vampirjäger selbst. Er fühlte sich nicht nur erbärmlich. Er sah auch so aus. Seine Haare waren voller Maiskörner, Bohnenfetzen und Glassplitter. Auf seinem rosafarbenen Hemd klebte eine zermatschte Tomate. Sein Gesicht war von Schmutz und Gemüsebrei verschmiert. Noch nicht einmal sein Gips war nach der Obst- und Gemüsexplosion in der Lagerhalle weiß geblieben.
    Dirk van Kombast fragte sich, was er tun sollte. Warten, bis ihn jemand fand? Oder alle Kraft zusammennehmen und versuchen, zu seinem Auto zu robben? Oder zumindest zu seinem Handy? Doch schon allein bei dem Gedanken daran verzog er schmerzerfüllt das Gesicht.
    So war es, das Leben eines Vampirjägers: gefährlich, gesundheitsschädigend, voller Entbehrungen und Gemüsepampe.
    Auf einmal hörte Dirk van Kombast Schritte. Waren das bereits die ersten Händler? Kurz darauf sah er zwei Gestalten aus einer Ecke hinter der Lagerhalle kommen. Der Vampirjäger holte tief Luft, dann rief er so laut er konnte: »HILFE!«
    Die Gestalten sahen sich um, entdeckten ihn und liefen auf ihn zu. Kurz vor Dirk van Kombast blieben sie stehen. »SIE?«, fragten sie wie aus einem Mund.
    Dirk van Kombast versuchte zu lächeln. Es sah aus, als hätte ihm jemand eine Banane quer in den Mund geschoben. Da standen sie also direkt vor ihm: Helene Steinbrück und dieser Junge, den alle Luder nannten. »Hallo, Helene. Und hallo du, ähm, Luder.«
    Der Junge runzelte die Stirn. Er sah Helene fragend an.
    Helene zuckte mit den Schultern.
    Dirk van Kombast hatte gegen Kinder fast eine genauso große Abneigung wie Vampire gegen Knoblauch. Sie waren laut, unberechenbar und hatten klebrige Hände. Normalerweise machte er einen großen Bogen um sie. Er sprach nur im Notfall mit ihnen. So wie jetzt. »Gut, dass ihr vorbeikommt. Ich bin, wie ihr seht, in einer etwas misslichen Lage. Wäret ihr so freundlich, mir aufzuhelfen?«
    Die Kinder zögerten.
    Dirk van Kombast sah sie flehend an. Hatten sie ihn nicht verstanden? Sah er so furchterregend aus? »Kommt schon, ihr könnt mich doch hier nicht so liegen lassen.«
    Das Luder seufzte, zuckte mit den Schultern und trat neben den Vampirjäger. Helene ging widerwillig auf die andere Seite. »Na gut. Aber nur, weil Sie verletzt sind.«
    Der Junge packte den Vampirjäger am rechten Arm, Helene packte ihn am linken. Dann zählte sie: »Eins, zwei, drei!«
    Die Kinder versuchten Dirk van Kombast vom Boden hochzuziehen. Sie bekamen einen roten Kopf. Der Junge blies die Backen auf. Helene schnaufte.
    So schwer, fand der Vampirjäger, war er nun auch nicht. Wahrscheinlich musste man die Kinder ordentlich anfeuern. War es nicht so, dass Kinder ständig Belohnung, Lob und Lutscher brauchten? »Kommt schon, ihr seid doch zu zweit. Strengt euch an! So schwer kann das gar nicht sein. Der Transgigant hat mich ganz alleine mit dem kleinen Finger auf seinen Rücken geworfen. Da werdet ihr es wohl zu zweit schaffen!«
    RUMMS!
    Bevor Dirk van Kombast wusste, wie ihm geschah, saß er wieder auf dem Beton. Sein Hinterteil brummte. Über seinen Rücken zog sich ein Schmerz.
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